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Domain

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Titel: Domain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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das Foto war im November 1916
    aufgenommen, und das Bild hatte sich unauslöschlich in Culvers Gedächtnis eingeprägt.
    Die Schlacht war längst vorüber. Von den Wäldern waren nur nackte, verkohlte Baumstämme übriggeblieben. Es gab kein einziges grünes Blättchen mehr, keinen Grashalm. Wo sich Wiesen befunden hatten, war jetzt Lehm, der von den Granaten aufgewühlt war. Keine Häuser mehr, nur noch Schutt, geborstene Trümmer. Keine Vögel. Kein Leben. Nur trostlose Einsamkeit.
    An dieses Bild dachte Culver, als er von der U-Bahntreppe auf die Straße trat.
    Die Stadt war ein gedemütigtes Trümmerfeld, in dem sich nichts mehr bewegte. Die meisten Häuser waren zerstört. Was nicht vollständig zerstört war, war schwer beschädigt. Es gab gigantische Puppenhäuser. Gebäude, bei denen eine Wand fehlte. Zimmer mit Möbeln und allem Drum und Dran, aber ohne Menschen. Es gab verbogene Stahlskelette, die dem Feuersturm bis zuletzt getrotzt hatten. Eine Regel oder ein Gesetz, warum das eine Haus in Schutt und Asche lag, während das Gebäude daneben bis zum dritten oder vierten Stockwerk erhalten geblieben war, war nicht zu erkennen. In der Ferne gab es Häuser, die weniger Schäden davongetragen hatten, als hätte sich die Gewalt der Druckwelle im äußeren Radius verringert.
    Inmitten der Trümmer lagen umgestürzte Autos, Busse und andere Fahrzeuge, wie Spielzeug, das ein überdrüssiges Kind fortgeworfen hatte. Die Straßen, soweit sie noch als solche zu erkennen waren, glichen langgestreckten Friedhöfen, auf denen anstelle der Grabsteine ausgebrannte Autos standen. Die meisten Lichtmasten waren geknickt, einige waren ganz umgestürzt. Im Schutt der Gebäude lagen Büromaschinen, Möbelstücke, Fernsehgeräte, die inmitten der Zerstörungen seltsam deplatziert wirkten.
    Und überall die verkohlten Überreste der Menschen, die einst in den Gebäuden gelebt hatten.
    Die vier Männer waren erleichtert, als sie feststellten, dass hier keine Fliegen auf den Leichen saßen. Es war der Regen, der die Insekten ferngehalten hatte.
    Sie standen auf einer Straße, im Herzen der englischen Hauptstadt. Zum ersten Mal in ihrem Leben sahen sie die wahre Gestalt der Landschaft, die vorher von Häusern verdeckt gewesen war, ein Muster aus verschiedenen Grautönen vor einem blauen Hintergrund. Der Blick ging ungehindert auf die sanft gewellten Hügel am Stadtrand. Der Osten und der Westen der Stadt wirkten, als sei eine gigantische Walze darüber hinweggefahren.
    Es war ein erschreckender Anblick. Die vier Männer fühlten sich auf einmal sehr allein. Voller Sehnsucht dachten sie an ihre Familien, die in dem Chaos umgekommen waren.
    Der Himmel war schwarz, die Wolken hingen niedrig, und der neue Horizont glänzte wie Silber. Der warme Regen tränkte die Kleidung der Männer und konnte doch nicht die Angst fortspülen, die sie beim Verlassen des U-Bahnschachtes überfallen hatte.
    Bryce lag auf den Knien, seine Stirn berührte das mit Abfall übersäte Straßenpflaster.
    McEwen weinte, seine Tränen vermischten sich mit dem Regen, der über seine Wangen floss.
    Fairbank hatte die Augen geschlossen und den Kopf in den Nacken gelegt. Sein Körper war steif wie ein Brett.
    Culver blickte in die Runde. Es war ihm nicht anzumerken, was er empfand.
    Im Osten waren die Überreste der St.-Paul’s-Kathedrale zu erkennen. Der Turm war zerstört, die Mauern geborsten.
    Culver war erschrocken über das Ausmaß der Verwüstung.
    Nach der ersten Explosion, so erinnerte er sich, hatte es noch unbeschädigte Häuser gegeben. Aber es war nicht bei einer Explosion geblieben. Nach den Schätzungen der Experten im Bunker waren insgesamt fünf Atombomben über London abgeworfen worden. Wenn man das ins Kalkül zog, war es eigentlich ein Wunder, dass die Stadt nicht dem Erdboden gleichgemacht worden war. Culver hatte den Eindruck, dass die Zerstörungen im Osten von London und in den südwestlichen Vierteln geringer waren als im Zentrum, aber er war sich dieser Beobachtung nicht sicher, weil der strömende Regen die Sicht behinderte.
    In größerer Entfernung loderten Brände. Culver vermutete, dass der Regen das Feuer in den anderen Häusern gelöscht hatte. Es gab einen zweiten Grund, warum er die Niederschläge willkommen hieß. Mit dem Wasser wurde der radioaktive Staub fortgespült.
    Er ging zu McEwen und berührte ihn am Arm. »Messen Sie jetzt die Strahlung.«
    Der Offizier des Royal Observer Corps schaltete den Geigerzähler ein. Er war

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