Don Blech und der silberne Regen
Hochzeitsgesellschaft ins Festzelt trat, ertönte ein schmetternder Tusch. Scheppertonne blieb während der feierlichen Zeremonie vor dem Eingang. Sie hatte noch immer Leibschmerzen, sogar etwas heftigere als zuvor. Sie fühlte sich alt und müde und hatte das Empfinden, für dieses Dasein vielleicht doch nicht ganz richtig gebaut worden zu sein. Vielleicht wäre sie lieber wieder still und gedankenlos, ohne Bewusstsein?
Aus dem Festzelt tönte gedämpfte, feierliche Musik nach draußen. Der Wattepriester vollzog die Trauung und Scheppertonne hörte den verlogenen Junker deutlich Ja sagen, während Watteia dieses schöne Wort gefühlvoll hauchte. Dann schien etwas nicht nach Wunsch zu gehen, es gab eine Pause. Watteia rief erregt: »Wattemutter, ist dir übel?« Und Wattemutter antwortete seufzend: »Ein wenig, es geht schon vorbei. Ich werde mich gleich nachher in die Bettdose legen.«
»Vorher musst du noch abdanken!«, sagte Junker Hohlkopf und seine Stimme klang rau und ungeduldig.
»O ja!«, hauchte Wattemutter. »Hiermit danke ich ab und du bist der Herr.«
Da riss Junker Hohlkopf ihr die Krone vom Kopf und wollte sie sich selber aufsetzen. Nur passte sie nicht gleich auf seinen Helm, sodass er sie in der Hand behalten musste, und das schien ihm irgendwie nicht ganz richtig zu sein, vielleicht sogar ein schlechtes Vorzeichen.
Trotzdem, Junker Hohlkopf war nun vermählt und rechtmäßiger Herrscher über Wattelland und die Wattels.
Man trat vor das Zelt, Junker Hohlkopf schwenkte die Krone in der eisernen Hand. Er wusste ja sonst auch nicht, wohin mit ihr. Er sah noch immer prächtig und majestätisch aus, das kann man nicht anders sagen. Und daher gaben sich die Wattels auch ungehemmt ihrer Begeisterung hin und ließen das Brautpaar und den neuen Herren hochleben. Sie ließen ihn hochleben und schwebten selber empor, der Platz vor dem Zelt war voller Schäfchenwolken, etwa fünf Meter hoch über der Erde.
Junker Hohlkopf sah’s mit Missfallen. Und sogleich wurde er sich seiner neuen Macht bewusst. Jetzt konnte ihm nichts mehr dazwischenkommen. Kein Don Blech konnte ihn mehr stören, die Hochzeit vereiteln, die Krone nehmen. Er hatte alles erreicht. Und all die mühsame Selbstbeherrschung der letzten Wochen fiel von ihm ab. Hoch reckte er sich auf. Mit knallender Stimme rief er aus schnappendem Kinnreff: »Hört! Meine erste Anordnung, mein erster Befehl! Ich verbiete bei Todesstrafe das glückselige Schweben! Alle sollen nur noch nützliche Arbeit leisten. Wer sich auch nur einen Zentimeter weit in die Luft erhebt, wird geköpft. Und alle Oberstübchen werden abgerissen. Alle — kein einziges soll stehen bleiben, kein Oberstübchen, nicht die albernen Hühnerleitern hinauf!«
Da standen alle Wattels vor Schreck gleich wieder fest auf der Erde — auf dem Boden der Tatsachen. Heftig klopften ihre Herzen und manch einer wollte alles nur für einen bösen Scherz halten, für einen Spuk, der schnell verfliegt.
Doch Junker Hohlkopf scherzte nicht. Ungeduldig schrie er Watteia an, die es nicht fassen konnte und ihn anblickte und immer nur »Nein — nein — nein!« seufzte. Kleine, kurze Wimmerlaute.
»Doch, doch, doch!«, drohte er.
Und Wattemutter wurde noch weißer, der Puder stäubte aus ihrer Watte, sie sank zusammen und ward ohnmächtig. Das war nun auch unerträglich für den Obereinpuderer. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Oh, was für schreckliche Zeiten brachen jetzt an.
Aber in Scheppertonnes Bauch rumpelte und drückte es, wie wenn die Wackersteine lebendig würden. Jetzt fasste sich Watteia. Gerade rief ihr der neue Gemahl noch einmal »Doch, doch, doch!« zu. Und als er just das Kinnreff zum letzten Vokal »O« öffnete — wozu wir Menschen die Lippen aufmachen — da fasste sie ihm mit einem plötzlichen Entschluss ins Gesicht, riss das Kinnreff herab und das Visier auf und sprang an seinen Brustharnisch und hatte die Augen an den Öffnungen. Wie ein Zahnarzt, der ein Loch im Zahn sucht, so guckte sie Junker Hohlkopf ins Innere: Den Mann wollte sie endlich sehen, den sie geheiratet hatte, nicht nur seine Rüstung. Doch sie sah nichts, nur einen dunklen Abgrund — und vermochte es nicht zu glauben und steckte auch noch die Hand hinein, den Arm, ungeachtet der Gefahr, dass er ihn abbeißen könnte, steckte ihn hinein und suchte nach etwas Körperlichem zu angeln, tief, tief innen, schon fast dort, wo unsereiner seinen Magen hat. Aber ihr Arm fuhr im Leeren herum.
Junker
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