Don Camillo und seine Herde
daß Peppone etwas auszuspucken hatte.
Und auf einmal spuckte er:
«Hören Sie mal, Don... Sie, kann man zwei Minuten als Mensch zu Mensch und nicht als Mensch zum Pfarrer mit Ihnen sprechen?»
Don Camillo blieb stehen, um ihn anzuschauen.
«Ein schlechter Anfang», bemerkte Don Camillo. «Wie du sprichst, spricht ein Esel zum Menschen.»
Peppone machte eine ungeduldige Geste.
«Lassen wir die Politik! Ich möchte, daß Sie mir von Mensch zu Mensch sagen, was Sie über Rußland denken.»
«Das habe ich dir sicherlich schon achtzigtausendmal gesagt», antwortete Don Camillo.
Peppone blieb stehen.
«Hier sind wir allein, und niemand hört uns. Einmal könnten Sie aufrichtig sein. Es geht nicht um politische Propaganda. Wie ist eigentlich dieses Rußland?»
Don Camillo zuckte mit den Achseln.
«Peppone, was soll ich schon darüber wissen? Ich war ja nie dort! Ich weiß nur, was ich in Büchern und in Zeitungen gelesen habe. Um dir sagen zu können, wie es wirklich ist, müßte ich hinfahren. Außerdem müßtest du darüber besser Bescheid wissen als ich.»
«Natürlich weiß ich das!» erwiderte Peppone. «In Rußland geht es allen gut, alle haben Arbeit, das Volk befiehlt, es gibt dort weder Ausbeuter noch Ausgebeutete. Was die Reaktion darüber erzählt, ist alles erfunden!»
Don Camillo blickte ihn an.
«Na und? Wenn du das weißt, warum fragst du mich?»
«Ach, nur so, weil ich Ihre private Meinung hören möchte, die Meinung eines Menschen. Bis jetzt habe ich immer nur die Meinung des Pfarrers gehört.»
«Und ich habe immer deine Meinung als Genosse gehört. Könnte ich auch einmal die Ansicht eines Menschen erfahren?»
«Um Genosse zu sein, muß man Mensch sein, und um Mensch zu sein, muß man Genosse sein. Was ich als Genosse meine, denke ich auch als Mensch!»
Sie spazierten eine Weile, dann drang Peppone neuerlich auf ihn ein.
«Nach Ihnen also wäre es in Rußland mehr oder weniger nicht anders als hier.»
«Das habe ich nicht gesagt», erwiderte Don Camillo. «Aber wenn du es gesagt hast, so ist das auch ungefähr meine Meinung. Natürlich immer mit Ausnahme der religiösen Seite dieser Angelegenheit.»
Peppone schüttelte den Kopf.
«Einverstanden», warf er ein. «Aber wie können Sie mir dann erklären, daß alle so schlecht darüber sprechen und schreiben?»
Don Camillo breitete die Arme aus. «Du weißt schon, die Politik...»
«Die Politik, die Politik...» murmelte aufgebracht Peppone. «Auch mit Amerika gibt es Politik. Und trotzdem sagt niemand von Amerika, was man sich von Rußland erzählt.»
«Tatsache ist, daß alle nach Amerika fahren können, um zu sehen, was dort los ist, aber nur wenige können nachschauen, was in Rußland los ist.»
Peppone setzte auseinander, daß es sich um selbstverständliche Abwehrmaßnahmen handle. Dann faßte er Don Camillo am Ärmel und hielt ihn an.
«Hören Sie mal, von Mensch zu Mensch! Wenn einer die Möglichkeit hätte, nach Rußland zu gehen, dort zu arbeiten und einen guten Posten zu bekommen, und er Sie um Rat fragen würde, was würden Sie ihm antworten?»
«Peppone, du stellst mir eine Frage...»
«Hochwürden, wir sprechen von Mensch zu Mensch, und da muß man den Mut haben, aufrichtig zu sein. Was würden Sie sagen?»
Don Camillo schüttelte den Kopf.
«Ich werde aufrichtig sein! Wenn es sich um eine gute Arbeit handelt, dann würde ich ihm empfehlen hinzugehen.»
Im Leben geschehen merkwürdige Dinge. Hier hätte Peppone vor Freude aufspringen müssen. Peppone war aber über die Antwort gar nicht erfreut.
Er tippte an den Hutrand und ging. Nach einigen Schritten jedoch wandte er sich um.
«Wie verantworten Sie das vor Ihrem Gewissen? Sie raten einem zu gehen und kennen das Land nicht...»
«Ich kenne es besser, als du glaubst. Du weißt es nicht, aber ich lese eure Zeitungen, und in euren Zeitungen schreiben Leute, die in Rußland waren.»
Mit einem Ruck drehte ihm Peppone den Rücken.
«Die Zeitungen! Die Zeitungen!» murmelte er im Gehen.
Don Camillo zersprang vor Vergnügen und ging, um sich Christus am Hauptaltar anzuvertrauen, und erzählte ihm die Geschichte.
«Jesus», schloß Don Camillo. «Er ist jetzt in Verlegenheit. Er möchte antworten, daß er nicht bereit ist zu gehen; in seiner Stellung aber glaubt er, nicht ablehnen zu dürfen, was ihm seine Führer als große Ehre angetragen haben. Er ist zu mir gekommen in der Hoffnung, daß ich, wenn ich ihm über das Leben in Rußland erzähle, ihm die Kraft
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