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Don Camillo und seine Herde

Don Camillo und seine Herde

Titel: Don Camillo und seine Herde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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Kirchturm zehn Uhr zu schlagen begann.
    «Schön», sagte Don Camillo zu Peppone. «Eure Uhr geht aber fast zwei Minuten vor.»
    Peppone zuckte die Achseln.
    «Man könnte auch sagen, daß Ihre Uhr um zwei Minuten zurückbleibt.»
    Don Camillo regte sich nicht auf.
    «Man könnte es sagen, es ist aber besser, so etwas nicht zu sagen, aus dem ganz einfachen Grund, daß meine Uhr die Minuten zählt, so wie sie seit dreißig oder vierzig Jahren die Minuten gezählt hat, und also ihren Dienst bestens verrichtet und wahrhaft keine Notwendigkeit vorhanden war, die öffentlichen Gelder hinauszuwerfen, um auf dem Turm des Rathauses eine neue Uhr einzurichten.»
    Peppone wollte einen Haufen sagen, aber es verschlug ihm den Atem, und er beschränkte sich darauf, seine Halsadern dick wie Ruten werden zu lassen.
    Smilzo eilte ihm zu Hilfe, hob den Finger und schrie:
    «Sie haben eine Wut, weil Sie auch das Monopol auf die Stunden haben wollen. Die Zeit gehört aber nicht dem Klerus, die Zeit gehört dem Volk!»
    Die Uhr auf der Rocca schlug die Viertelstunde, und der Platz verfiel sogleich in Schweigen.
    Es verging eine Minute, es verging eine weitere Minute. Dann schlug auch die Uhr am Kirchturm die Viertelstunde.
    «Der Fehler ist schon größer geworden!» rief Don Camillo. «Jetzt geht sie schon zwei gute Minuten vor!»
    Die Leute holten aus den Westentaschen die großen Zwiebeluhren an schweren Ketten, und die Auseinandersetzungen begannen.
    Eine verrückte Angelegenheit! Bis zu diesem Tag hatte sich niemand in der Gegend um die Minuten gekümmert. Minuten und Sekunden sind eine Angelegenheit der Städte, wo man sich förmlich zerreißt, um nur ja keine Sekunde zu verlieren, ohne dabei zu merken, daß man damit ein ganzes Leben verliert.
    Als die Uhr auf der Rocca halb elf schlug und die Kirchenuhr zwei Minuten später als Echo ertönte, konnte man bereits zwei Richtungen feststellen; die eine Partei trat für die Uhr des Priesters, die andere für die Gemeindeuhr ein; nichts Aufregendes, denn die Auseinandersetzung beschränkte sich auf Westentäschchen und silberne Zwiebeluhren.
    Aber Smilzo, der schon den vierten Gang eingeschaltet hatte, schrie auf einmal:
    «An dem Tag, an dem die Uhr auf der Rocca die Stunde der Erhebung des Proletariats schlägt, werden gewisse Leute merken, daß sie nicht um zwei Minuten, sondern um zwei Jahrhunderte zurückgeblieben sind!»
    Das war nichts Besonderes; schlimm war nur, daß Smilzo diese Worte schrie und mit einem Finger drohend vor Don Camillos Nase herumfuchtelte. Und Don Camillo war eben Don Camillo.
    Don Camillo ging entschieden vor; er streckte die Hände aus und zog Smilzo die Mütze über die Augen. Dann gab er der Mütze die klassische Schraubenbewegung und brachte so den Mützenschirm von vorne auf den Nacken.
    Peppone trat hervor.
    «Und wenn man mit Ihnen einen solchen Scherz triebe, was würden Sie sagen?» fragte Peppone mit zusammengebissenen Zähnen.
    «Man müßte es einmal versuchen!» antwortete Don Camillo. «Bis heute hat es noch niemand versucht.»
    Zwanzig Hände faßten Peppone an den Kleidern und zogen ihn zurück.
    «Du darfst dir keine Blöße geben», sagten sie zu ihm. «Ein Bürgermeister darf sich in keine Rauferei einlassen!»
    Ein Haufen Roter drängte sich drohend um Don Camillo und begann ihm allerlei zuzurufen.
    Don Camillo ging die Luft aus, und er verspürte das Bedürfnis, sich mit etwas Luft zu machen. Und der erste Fächer, der ihm unter die Hände kam, war die übliche Bank.
    Mit einer Bank in den Händen und mit hohem Kesseldruck war Don Camillo wie ein Wirbelwind; sofort entstand ein leerer Raum um ihn, so daß diese Leere die Überfüllung des übrigen Platzes steigerte. Ein Hühnerkorb wurde zerdrückt, ein Pferd riß aus. Geschrei, Kindergebrüll und Pferdegewieher.
    Der rote Teppich ist zerstreut, Peppone ist im Tor der Rocca von einer Menge umlagert, die nicht will, daß sich der Bürgermeister eine Blöße gibt. Schließlich gelingt es auch ihm, eine Bank zu ergreifen.
    Mit dem Motor auf Hochtouren und mit einer Bank in seinen Pratzen ist Peppone auch etwas, was einem Wirbelwind ähnelt, und er kennt dann weder Freund noch Feind.
    Die Leute wichen zurück. Peppone ging mit langsamem und unheilvollem Schritt auf Don Camillo zu, der ihn bereits erblickt hatte und standhaft auf ihn wartete, mit der Bank in den Händen.
    Alles strömte an den Rand des Platzes, nur Smilzo gelang es, seinen gesunden Hausverstand zu behalten. Er pflanzte sich

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