Don Camillo und seine Herde
Dann war das Wasser rasch über die Tür gestiegen, und das Tier war gefangen. Der große Tisch, den Don Camillo nicht mehr in Sicherheit bringen konnte, war umgekippt und bildete ein Floß. Das Wasser hatte aufgehört, weiter zu steigen, und Ful blieb auf seinem Floß schwimmend und wartete auf eine Hilfe vom Himmel oder wenigstens von der Stubendecke.
Don Camillo zog ihn durch das Loch im Fußboden herauf, und Ful war so naß und so zufrieden, daß auch Don Camillo im Nu naß wurde, als ob er den ganzen Tag im Regen gestanden wäre.
Es war Zeit, die Abendglocken zu läuten. Mit Hilfe einer Weinkufe und vier leerer Fässer, die als Schwimmer dienten, baute sich Don Camillo eine Art Floß, mit dem er sich ruhig auf Schiffahrt begeben konnte.
Er bestieg sein Prunkschiff und fuhr in die Kirche. Unter den Füßen des gekreuzigten Christus - der Altar war schon ganz unter Wassser - kniete er nieder.
«Jesus, ich bitte um Vergebung, daß ich den Altar jetzt auf dem Turm errichtet habe und dort jetzt die Messe lesen werde; eine Überschwemmung ist so etwas wie ein Krieg, und ich fühle mich heute wie ein Feldkurat bei einer kämpfenden Einheit und habe deshalb meinen kleinen Feldaltar hervorgeholt.»
Christus seufzte.
«Don Camillo, was machst du hier? Ist nicht dein Posten bei deinen Leuten?»
«Jesus, meine Leute sind hier; mit dem Leib sind sie in der Ferne, mit dem Herzen sind aber alle hier.»
«Don Camillo, deine Arme sind stark und haben hier nichts zu tun, anderswo aber könnten sie dem Schwächsten helfen.»
«Jesus», antwortete Don Camillo, «ich helfe ihnen am besten, wenn ich hierbleibe. Mit der Stimme dieser Glocke halte ich ihre Hoffnung auch in der Ferne aufrecht. Die Hoffnung und den Glauben.»
Don Camillo vertäute sein Prunkschiff unter dem Schlafzimmerfenster, stieg hinauf und legte sich ins Bett. Und er schlief eine gute Weile, weil ihm diese endlose Stille auf dem Hirn lastete und ihn betäubte.
Plötzlich weckte ihn das Gebell Fuls. Ful war unruhig und stürzte an das Fenster.
Don Camillo nahm das Gewehr und schaute durch einen Fensterspalt hinaus, ohne Licht anzuzünden.
In einem großen Bottich war ein Bündel Fetzen und rührte sich.
«Wer bist du?»
«Ich bin die Rosa Maroli», sagte das Fetzenbündel. «Mein Großvater will Sie sehen.»
«Der Großvater?»
Don Camillo stieg aus dem Fenster, lud das Mädchen auf sein Prachtschiff und fuhr mit Hilfe einer langen Holzstange los.
«Um Himmels willen, was machst du denn da?»
«Der Großvater wollte hierbleiben, und ich leiste ihm Gesellschaft. Die andern wollten nicht, daß er bleibt, und haben ihn gequält. Ich wußte aber, wo das Gewehr war...»
«Du bist geblieben und hast keine Angst?»
«Nein, der Großvater ist da. Und außerdem hat man bei Ihnen das Licht gesehen und die Glocke gehört.»
Mit dem alten Maroli ging es zu Ende.
«Man wollte mich in einem Spital wie einen Hund sterben lassen...» stöhnte er. «Ich will wie ein Christ sterben, in meinem Haus... Verrückt! Sie sagten, ich wäre verrückt...! Sie sagen, auch sie wäre verrückt...!» Unbeweglich und stumm starrte das Mädchen auf den Alten.
«Rosa», sagte der Alte leise, «ist es wahr, daß du verrückt bist ?... »
«Manchmal habe ich Kopfschmerzen, und dann verstehe ich nicht gut...» sagte sie schüchtern.
«Sie hat Kopfschmerzen, das ist es!» sagte der Alte. «Als sie noch ganz klein war, ist sie einmal auf einen Stein gefallen... Ein Knochen drückt jetzt auf das Gehirn... Der Professor hat gesagt ... Mir hat er es gesagt... Eine Operation könnte alles wieder gutmachen... Ich bin aber krank geworden... Und die Operation kostet viel, und die anderen wollen kein Geld dafür ausgeben... Sie wollen das Mädchen ins Irrenhaus schicken! Es ist ihnen lästig...!»
Don Camillo unterbrach ihn.
«Beruhigen Sie sich, ich bin auch noch da!»
«Lassen Sie die Operation machen», sagte der Alte. «Schieben Sie das Bett ein wenig von der Wand weg... Sehen Sie, da in der Wand... weiter in der Ecke! Nehmen Sie diesen angezeichneten Ziegel heraus...»
Don Camillo löste den locker sitzenden Ziegel heraus und fand ein Säckchen, schwerer als Blei.
«Gold!» wisperte der Alte. «Gold... Goldstücke... Gehört alles mir... Alles für sie... Lassen Sie die Operation machen, geben Sie das Mädchen zu jemandem, wo sie etwas lernen kann... Wir werden ihnen noch zeigen, ob wir verrückt sind oder nicht! Nicht wahr, Rosa?»
Das Mädchen nickte zustimmend.
Der Tag
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