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Don Fernando erbt Amerika

Titel: Don Fernando erbt Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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Atheist. Wann krieg ich je wieder die Chance, in einer Kirche rumballern zu dürfen?«
    Gilead wiegte den Kopf und sah nachdenklicher aus: »Na ja, aber Christoph hat recht. Mich wundert eigentlich, dass die Bullen noch nicht hier waren – bei dem Krach, den wir machen.«
    »Die Nachbarn sind’s halt gewöhnt«, seufzte Christoph und dachte an seine Kindheit zurück. »Aber wir hauen trotzdem ab. Wir gehen zurück in die Wohnung. Kein Mensch glaubt, dass wir uns da verstecken.«
    »Klasse«, freute sich Bébé, »ich hab meine Gitarren seit Tagen nicht gesehen.«
    »Oh nein«, sagte Gilead, »keine Konzerte. Wir verhalten uns ganz still.«
    »Fernsehen?«, fragte Bébé ängstlich.
    Gilead nickte.
    Sie packten zusammen und verschwanden, noch ehe Pfarrer Friedrich die nächste Gewehrkiste nach oben geschleppt hatte. Immerhin versahen sie sich mit so viel Artillerie, wie sie gut tragen konnten.
    Das mit der Wohnung war natürlich eine extrem dumme Idee – selbst für einen arbeitslosen, kurzlebigen Physiker. Aber andererseits: Wo taucht man in einer Stadt wie Nürnberg unter?
    Ja. Wo taucht man unter? Carlos, Esteban, José und drei andere Spanier waren vor demselben Problem gestanden. Kein Mensch vermietet kurzfristig eine Wohnung an sechs Ausländer, die noch nicht einmal genug Geld flüssig haben, um die Ausländerkaution zu bezahlen, die dreimal so hoch wie üblich ist. Andererseits brauchen Langlebige nur sehr wenig Schlaf. Also waren die sechs überein gekommen, dass sie schlicht in den Kneipen und Cafés der drei Städte Erlangen, Nürnberg und Fürth untertauchen würden, getragen von der Hoffnung, dass dieses Untertauchen nicht allzu lange dauern würde – denn wir wissen ja schon, dass auch Langlebigkeit relativ ist. Nun waren sie also schon seit drei Tagen von Kneipe zu Kneipe gezogen, immer auf der Flucht vor der Sperrstunde und mit kurzen Schlafperioden in einem Taxi, das sie zur nächsten Kneipe brachte. Im Augenblick befanden sie sich trotz Estebans wütender Proteste im Café Eiland . Es war ein schöner klarer Januarmorgen, ein Sonntag, wie ein kneipengeschultes Auge dem aufgebauten Frühstücksbüfett entnehmen konnte. Die sechs saßen um ihren Kaffee herum und waren trübselig. Sie hatten sogar im Archiv schon lustigere Zeiten erlebt, und mit diesem Kneipenleben mutete ihnen Don Fernando schon ziemlich viel zu. Carlos fand, dass dafür mindestens der Titel eines Gubernador in New Hampshire herausspringen müsste, wenn Fernando sein Erbe erst einmal angetreten hatte.
    »Davon sind wir noch weit entfernt!«, murmelte Esteban, der dieses spezielle Café sowieso nicht leiden konnte, weil er einstmals eine Kakerlake in seinem Kakao gefunden hatte. Seitdem konnte er nur noch Kakao trinken, wenn er die Herstellung selbst überwacht hatte. Und Kakerlaken hießen seitdem bei ihm »Kakaolaken«. Er rührte vorsichtig in seinem Kaffee herum.
    »Können wir nicht woanders hingehen? Ich hab sowieso keinen Hunger.«
    »Ach komm«, sagte Carlos, »sei nicht muffig. Es ist kalt und ich hab keine Lust, nach draußen zu gehen. Und Taxifahren steht mir bis hier!« Er machte die entsprechende Geste.
    »Aber es ist langweilig«, beschwerte sich José. »Ich will mich irgendwo hinlegen und fernsehen.«
    »Du kannst dir einen Sender kaufen, wenn das hier zu Ende ist«, sagte Esteban dumpf. »Wenn es jemals zu Ende geht. Im Augenblick sieht es so aus, als würde ich den Rest meines Lebens damit verbringen, in irgendwelchen Cafés keinen Kakao zu trinken. Es wird nichts mehr passieren. Mein Leben ist an einem absoluten Tiefpunkt angelangt.«
    Auf eine Weise hatte Esteban recht. Sein Leben war gewissermaßen an einem Tiefpunkt angelangt. Er hatte nicht recht mit seiner Vermutung, dass nichts mehr passieren würde. Aber Esteban wusste ja auch nicht, dass er an diesem Sonntag noch viel Spaß haben sollte.
    Das Café Eiland war eines jener Cafés, in denen die selbst ernannten Intellektuellen einer mittleren Stadt gerne verkehren, weil sie sich dann den Alternativen, die ebenfalls dieses Café besuchten, weit überlegen fühlen. Es war hell und wirkte auf den ersten Blick ziemlich freundlich, weil es riesige Schaufensterscheiben hatte, vor denen eine ganze Menge verstaubter Palmen stand. Die Hauptfarbe war Rot, die Tische hingegen waren in einem undefinierbaren Grau gestrichen, das es den Bedienungen leicht machte, den sich beschwerenden Gästen gegenüber zu behaupten, sie hätten den Tisch eben erst abgewischt. Die

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