Don Fernando erbt Amerika
Tisch der Hyänen um, prüfte, ob er beobachtet wurde, und kickteeinem der sich auf dem Boden windenden Kinder in die Rippen. Das darauffolgende Gebrüll erschütterte das ganze Café außer den Tisch der ledigen Mütter.
Esteban wurde allmählich missgestimmt. Er stand auf und ging vor zur Theke.
»Kann ich BITTE noch einen Espresso haben?«
Der Kellner sah ihn lange voller Verachtung an. Dann antwortete er mit unerträglicher Überheblichkeit:
»Ich komm an den Tisch. An der Theke wird nicht bestellt.«
Esteban erwog kurz, den Kellner mit dem Kopf in die Joghurtschüssel zu tauchen, erinnerte sich dann aber, dass sie ja unauffällig bleiben wollten. Er kehrte zu seinen Freunden zurück, setzte sich und sah auf die Uhr, wobei er unaufhörlich mit den Fingern auf den Tisch trommelte. Esteban war geduldig. Die Zeit verging. Die Minuten dehnten sich zu Viertelstunden. Aber Esteban war zäh. Nach einer Stunde und zehn Minuten war seine Geduld trotzdem zu Ende. Er stand auf und ging wieder zur Theke.
»Ich bekomme einen Espresso!«, sagte er laut zu den drei Kellnern, die untätig hinter dem Tresen standen und sich unterhielten. Einer drehte sich um und fragte in ungläubigem Ton: »Wie war das?«
»Ich bekomme einen Espresso!«, wiederholte Esteban.
» Bitte! «, sagte der Kellner.
Jetzt war es an Esteban, ungläubig »Wie war das?« zu fragen.
»Ich bekomme einen Espresso, bitte! «, sagte der Kellner und rührte sich nicht. Esteban holte tief Luft. In ihm brodelte es.
»Ich bekomme einen Espresso!«, sagte er. » Jetzt! Denn ich warte seit genau einer Stunde und zehn Minuten darauf, eine Bestellung aufgeben zu können.«
»Wo sitzt du denn überhaupt?«, fragte der Kellner. Esteban wies mit dem Finger auf den Tisch seiner Gefährten.
»Nicht mein Tisch!«, sagte der Kellner und drehte sich wieder zu seinen Kollegen um, mit denen er sofort in eine erregte Diskussionüber die unglaubliche Frechheit der Gäste geriet. Esteban machte einen letzten Versuch in Güte.
»Soll ich ihn mir selbst machen?«
»Hau ab!«, sagte der Kellner, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Es gab ein sehr befriedigendes Klirren, als das gesamte Büfett zusammenbrach, weil Esteban die Stützen mit seinem Degen gekappt hatte. Vom Intellektuellentisch kam zaghafter Beifall. Joghurt vermischte sich mit langsam herabtropfendem Honig zu einem unappetitlichen See. Milch sickerte in Richtung Toiletten. Rollmöpse glitschten auf dem Fliesenboden unter verschiedene Tische, wo sie sich wohl fühlten und den weiteren Fortgang interessiert beobachteten. Einer der Intellektuellen pulte sich die Reste des Rühreis aus dem Haar. Ansonsten herrschte plötzlich reinste Stille. Alle Bedienungen fuhren herum und starrten Esteban an, der sagte: »Ich hätte gerne noch einen Espresso!«
»Du bist doch Afghane?«, fragte der Kellner tückisch.
»Nein«, antwortete Esteban, »ich bin Spanier.«
»Gegen Spanier habe ich nichts«, sagte der Kellner, der langsam näher kam und Esteban dabei um einen Kopf überragte, »aber gegen Afghanen. Und du siehst aus wie ein Afghane.«
»Ich bin Spanier«, sagte Esteban ungerührt, »und ich möchte gerne einen Espresso.«
»Wer Spanier ist, bestimme ich«, sagte der stämmige Kellner und packte Esteban am Kragen. »Du bist Afghane.«
Es gibt Dinge, von denen man sich noch Jahre später wünscht, sie nicht getan zu haben. Dinge, bei denen allein der Gedanke an die Konsequenzen einen noch Jahre später schweißgebadet aufwachen lassen. Esteban am Kragen zu packen, war eines davon.
Der Kellner wusste zwar nicht, wie es geschehen war, aber plötzlich lag er am Boden in einem Joghurtsee und hielt sich wimmernd die Hand, während Esteban seinen Degen gezogen hatte und ihm seine Kameraden zu Hilfe eilten. Am Tisch der ledigen Mütter entstandUnruhe. Einige sprangen auf, zerschmetterten ihre Stühle und prügelten sich mit Hilfe der Stuhlbeine zur Theke vor, wobei sie gemeinsam schrill skandierten: »Keine Gewalt! Gewalt ist chauvinistische Männerscheiße!«
Die Intellektuellen versteckten sich im Männerklo und im künstlichen Brunnen. Esteban kappte die Zapfhähne, und vier Fontänen mittelmäßigen Biers schäumten zur Decke hoch. Carlos trümmerte mit der Faust in das Sichtglas der Kaffeemaschine, und ein Schwall brauner Brühe – mit einigen hässlichen Käfern darin – ergoss sich hinter die Theke. José machte sich auf die Suche nach brauchbarem Wein und rutschte dabei auf einem der alternativen Kinder aus.
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