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Don Juan de la Mancha

Don Juan de la Mancha

Titel: Don Juan de la Mancha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Menasse
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verachtest. Alle hier lieben dich. Durch dich ist die Stimmung gut. Du delegierst jede Arbeit. Das gibt jedem das Gefühl, Freiräume zu haben. Aber wir nutzen die Freiräume, die du uns lässt, gegen dich. Wir wissen, wir müssen innerhalb der sehr engen Grenzen funktionieren, die uns objektiv vorgegeben sind. Grenzen, die du nicht siehst oder sehen willst. Das ist ja der Irrsinn in unserem Ressort: Du obstruierst alles, jeder liebt dich dafür, aber zugleich obstruiert jeder deine Obstruktion.
    Ich wollte jetzt etwas Intelligentes über Grenzen sagen, aber dann dachte ich, das wäre allzu naheliegend. Franz schaute mich an. In seinem Blick war Angst. Dass er zu weit gegangen war. Zumindest Nervosität. Das sagte alles. Es war endgültig alles gesagt, als Franz sich bemüßigt fühlte, zur Sicherheit rasch anzufügen: Ich sage dir das als dein Freund.
    Ich bin also nicht wirksam?, sagte ich. Was ich hier tue, hat keine Wirkung? Nicht die geringste?
    Franz schaute mich an.
    Wunderbar! Dann bin ich unschuldig!
    Nathan, hör zu –
    Nein, du hörst jetzt zu! So viel ich weiß, bin ich hier noch Ressortchef. Und ich sage dir: Deine Idee ist gut. Wir haben sogar ein Extrabudget dafür. Sehr gut! Danke!
    Ich sah ihn an. Er sah mich an. Ich war müde. Und ich war zu jung. Viel zu jung. Um in Pension gehen zu können. Obwohl ich schon hinter dem Todesstreifen war. Auf der anderen Seite. Ich rief Traude herein.
    Du hast dir sicher schon überlegt, welche Meisterköche für diese Serie in Frage kommen.
    Ja, sagte Franz, natürlich. Hier! Eine erste Vorschlagsliste mit Starköchen, die vier Sterne haben.
    Traude. Ich sah sie anders an als früher. Ich sah sie plötzlich mit den besitzergreifenden Augen von Doktor Tenner. Ich fand das zum Kotzen. Mich. Nein Franz. Nein mich. Ich schaute und schaute und bemühte mich, ganz konzentriert zu schauen, ich starrte in die Liste der Drei-Sterne-Köche, schaute auf. Traude. Franz. Sie schauten mich an. Ich sagte: Alain Ducasse, Paris. Franz, kannst du Französisch?
    Nein. Ich hatte in der Schule Altgriechisch.
    Traude, kannst du Französisch?
    Einigermaßen.
    Gut. Hier, in der Liste ist die Telefonnummer vom Plaza Athénée in Paris. Dort kocht Monsieur Ducasse. Ruf an, und wenn du ihn dran hast, stell ihn bitte zu mir durch.
    So kam es zu meiner legendären Dienstreise nach Paris, die mein Leben – nein, nicht änderte. Sondern die so verlief, dass jeder andere gesagt hätte: Sie hat mein Leben geändert.
    32.
    Am nächsten Tag hatten wir bereits organisatorisch alles unter Dach und Fach. Mit Alain Ducasse war ein Termin vereinbart und das Honorar ausgehandelt – wonach ich übrigens verstand, warum Köche immer sagen: »Man nehme …«
    Ein Fotograf der feinen Pariser Agentur »Starimage« war gebucht und zum gegebenen Termin ins Plaza Athénée bestellt. Mein Flugticket und das Hotel waren reserviert. Die Debatte, warum ich fliege und nicht Franz, war ausgestanden.
    Natürlich wollte Franz unbedingt die Geschichte selbst machen. Sei es nicht seine Idee gewesen? Habe nicht er die Bewilligung des Budgets durchgesetzt?
    Ja. Ja. Trotzdem: Die Geschichte mache ich! Ende der Debatte.
    Ich wollte selbst nach Paris. Wegen der Geschichte. Mir war Alice eingefallen.
    33.
    Und Traude hatte es geschafft, die Telefonnummer von Alice herauszufinden. Alice lebte tatsächlich noch immer in Paris. Sie hatte noch denselben Familiennamen. Das wunderte mich. Ich war der Meinung, dass sie geheiratet hatte. Nein, es wunderte mich doch nicht. Wahrscheinlich hatte der Mann ihren Namen annehmen müssen. Kranzelbinder. So einen Namen gibt man doch nicht auf. Hat vor allem in Frankreich einen guten Klang. Und wenn Alice einen Mann dazu bringen konnte, zum Kranzelbinder zu werden, dann tat sie es. Was war das? Ertappte ich mich bei leichter Aggression? Hatte ich wirklich Lust, sie wiederzusehen? Ich hatte Lust, sie wiederzusehen. Lust ist das falsche Wort. Neugier. Gutes Wort.
    Da stand Franz schon wieder vor meinem Schreibtisch. Ob er nicht wenigstens mitkommen könne?
    Nein!
    Er könne sich vorstellen, dass wir gemeinsam –
    Nein!, schrie ich, und: Versuche nie wieder, hier einzudringen, wenn ich es nicht erlaubt habe.
    Er ging rückwärts hinaus, sah mich so eigentümlich an – weil ich geschrien hatte? Oder weil er sich nun auch an Alice erinnerte?
    Ich hatte Franz und Alice gleichzeitig kennengelernt. Ich hatte Alice geliebt. Franz hatte Alice geliebt. Einmal sind wir zu dritt im Bett gewesen. Es war

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