Don Juan de la Mancha
arbeiten mit ihren Computern zu Hause. Das Junk-Food aber untergräbt ihre Leistung, ihre Konzentration. Sie bräuchten eine gesunde Mahlzeit. Das ist ja ein Kennzeichen dieser Generation: Sie weiß, Gesundheit ist Kapital.
Eine Produktivkraft, sagte ich.
Ja, genau. Aber –
Trotzki, sagte ich.
Wie bitte?
Nichts.
Ja, Produktivkraft. Wie du sagst. Aber sie haben keine Zeit, sich etwas Gesundes zu kochen. Sie können gar nicht kochen. Aber sie wollen: gesund sein, um Leistung bringen zu können. Jetzt gehen sie in der Mittagspause einen Salat essen. Zu McDonald’s. Sie glauben, sie haben sich etwas Gutes getan. Zumindest ist es schnell gegangen. Das ist wichtig. Es muss schnell gehen. Dann am Nachmittag der Blutzuckerabfall. Die Leistung leidet darunter, und das ist wirklich komisch: Die Leistung leidet, weil sie in ihrem Leistungsbewusstsein alles richtig und vernünftig machen wollten. Was also ist die Lösung? Der gesunde Snack. Was muss er können? Man muss ihn in maximal fünf Minuten zubereiten können. Und er muss so einfach zubereitet werden können, dass es selbst der ärgste Kochmuffel zustande bringt. Das heißt: wenig Bestandteile, unkompliziert im Einkauf, maximal vier Schritte in der Zubereitung – die wir mit Fotos illustrieren, sodass absolut nichts schiefgehen kann. Und in der Zusammensetzung von Eiweiß, Kohlehydraten, Vitaminen et cetera et cetera muss dieser Snack energiereicher sein als ein McSalad und kalorienärmer als eine Pizza.
Mit der rechten Hand unterstrich Franz jeden seiner Sätze und kam dabei meinem Gesicht gefährlich nahe. Als wollte er mich schlagen. Ich hatte den Eindruck, dass in meinem Diener Franz ein anderer Franz steckte, der plötzlich gegen mich rebellierte.
Und warum brauchen wir dazu Spitzenköche?
Nathan, bitte! Willst du Omas Reformhaus? Aber die Kreation eines Vier-Sterne-Kochs, zubereitet in nur fünf Minuten – das ist cool. Das ist der Pfiff: Meisterköche für Kochmuffel. Was sagst du?
Es gibt zwei Grenzen, dachte ich. Die undurchlässigen, die sind gefährlich und dahinter ist vielleicht das Glück. Und die offenen, die fröhlich dazu einladen, sie zu überschreiten. Dahinter ist die Dummheit.
Was sagst du, Nathan?
Ich bin verblüfft, sagte ich.
Ich habe es gewusst, sagte Franz. Alle waren von der Idee verblüfft. Es soll eine Serie werden. Einmal wöchentlich. Zum Sammeln. Ich sehe –
Ich sehe dich in der Chefetage. Ich bin verblüfft, dass du nicht vorher mit mir über diese Idee geredet hast.
Nathan! Du kennst mich doch! Das heißt, ich kenne dich doch. Du hättest diese Idee blöd gefunden und –
Ich glaube, das hätte ich.
Ich mache mir Sorgen um dich, Nathan. Ich sage dir das als Freund. Denk daran, wie lange wir uns kennen. Ich glaube, ich kenne dich mittlerweile besser als du dich selbst. Deine Aufsässigkeit! Gut, sie ist subtiler geworden. Du reckst nicht mehr die Faust in die Höhe, schlägst sie nicht mehr auf den Tisch. Du scheißt nicht mehr auf das Rednerpult des Professors, weder buchstäblich noch metaphorisch. Dennoch, du glaubst immer noch, du musst jeden Augenblick Widerstand leisten, du musst dich sofort wehren, du musst allzeit bereit sein, Verdacht zu schöpfen, du musst alte Errungenschaften gegen eine Zukunft verteidigen, die nicht die Zukunft ist, die du dir erträumt hast. Du machst es, wie gesagt, mittlerweile sehr subtil. Obstruierst durch vorgeschützte Müdigkeit, leistest Widerstand durch unzeitgemäße Routine, kritisierst durch demonstrative Lethargie. Und dein Zynismus und dein Kalauern tun ein Übriges, dass immer eine gute Stimmung ist – die, sieht man genauer hin, immer eine AntiStimmung ist, eine atmosphärische Gegnerschaft zu allem. Traude zum Beispiel – sie liebt dich.
Sie liebt mich? Das sind zwei Überraschungen!
Wieso zwei?
Weil ich nicht gewusst habe, dass Traude mich liebt. Und zweitens, weil ich nicht weiß, was das mit all dem zu tun hat, was du gerade gesagt hast.
Nathan, bitte! Sie liebt dich. Weiß doch jeder. Lieben, jedenfalls im Sinn von: Sie frisst dir aus der Hand. Würde alles für dich tun. Und warum?
Warum?
Weil – ach Nathan! Weil du so bist, wie du bist. Wie ich gerade gesagt habe. Sie bewundert dich. Aber sie hätte keinen Job mehr, wenn du wirklich wirksam wärst. So wie du bist. Wenn das wirklich maßgeblich wäre, wie du arbeitest. Wir alle haben hier unsere Jobs nur noch deshalb, weil wir an dir vorbeiarbeiten, weil wir täglich die Zeitung machen – die du
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