Donaugrund (German Edition)
schließlich wegtreten.
»Ich bin keine große Hilfe, oder? Sorry.« Fast kläglich sah Wunderlich von Raphael zu mir.
»Was nicht ist, kann ja noch werden«, antwortete Raphael und schaltete den Beamer ein, der sofort das erste Foto auf die vorbereitete Leinwand warf. Leider war es wieder Hugo, der da auf uns heruntergrinste. »Weiter geht’s. Erneut acht verschiedene Männer, nur dieses Mal eben auf Leinwand«, erklärte Raphael das Prinzip. »Alles klar?«
Wunderlich nickte, studierte brav das Bild, schüttelte den Kopf. Raphael klickte zum nächsten Foto, Wunderlich studierte es, schüttelte den Kopf. Und das nächste. Und das nächste. Dieses Mal hatten wir auch ein paar Fotos aus unserer Verbrecherkartei daruntergemischt, sofern die Herren im Bereich Körperverletzung oder Raubüberfall auffällig geworden waren und ins optische Raster passten, aber anscheinend war es uns nicht vergönnt, einen Glückstreffer zu landen.
Als Raphael das an sechster Stelle positionierte Bild von Sascha Hoyer, das Moritz dem HEUREKA -Boss auf beeindruckende Art und Weise abgeluchst hatte und auf dem er eindeutig ein bisschen schlaff aussah, aufrief, hielt ich unweigerlich den Atem an und beobachtete Wunderlich genau. Und gleich darauf enttäuscht. Nicht einmal der Funke eines Erkennens.
Schließlich landeten wir wieder bei Hugo, und Raphael schaltete desillusioniert den Beamer aus.
»Tut mir echt leid«, sagte Wunderlich so betrübt, als hätte er uns persönlich enttäuscht. »Aber diese Gesichter habe ich wirklich noch nie zuvor gesehen. Irgendwie war das Gesicht von dem Kerl auf der Brücke anders. Noch ein bisschen runder. Und …« Nach einem entschuldigenden Achselzucken fügte er hinzu: »Irgendwie weicher. So an den Wangen. Glaube ich.«
»Muss ja ein attraktiver Kerl gewesen sein«, antwortete ich trocken. »Trotzdem vielen Dank Ihnen.«
»Dabei dachte ich, ich könnte bei euch meine Aufklärungsquote verbessern«, sagte Moritz, nachdem wir auch Dennis Wunderlich wieder in die Freiheit entlassen hatten. »Wo zum Henker kriegen wir jetzt jemanden mit schlaffer Figur und rundem, weichem Gesicht her?«
Raphael deutete mit halb belustigter, halb verärgerter Miene auf Herbert, der zu allem Überfluss just in diesem Moment beherzt zu schnarchen anfing. »Im absoluten Notfall verhaften wir einfach ihn.«
Es war schon spätnachts, doch wir saßen immer noch auf meiner Couch, starrten wortlos auf den Bildschirm des Fernsehers, der, wie ich gerade erst zu meiner Erschütterung bemerkt hatte, seit ungefähr einer halben Stunde eine Dokumentation über afrikanische Wüstengrillen zeigte, und hingen unseren wenig erfreulichen Gedanken nach – wenigstens vermutete ich, dass auch Raphael das tat, denn seine Sarah-Sorgenfalte, die in Wahrheit wohl eher eine Wahlner-Sorgenfalte war, hatte sich schon seit Längerem nicht mehr geglättet.
»Und jetzt?« Ich verdonnerte den Fernseher zum Stand-by-Modus und warf Raphael einen ratlosen Blick zu. Rette mich, mein Prinz. Oder noch besser: Rette diese aussichtslosen Ermittlungen. Bitte.
»Danke. Ich hatte schon befürchtet, dieser Kram interessiert dich wirklich.« Mein Prinz erweckte nicht den Anschein, irgendetwas retten zu wollen. Stattdessen lächelte er mich erleichtert an und zog mich an sich. »Nach dem nächsten Werbeblock wäre es immerhin um das Paarungsverhalten der namibischen Wüstengrille gegangen.«
»Das muss ich sehen«, antwortete ich in gespielter Begeisterung. »Wo war noch mal die Fernbedienung?«
»Stell dir doch mal vor«, sagte er und wackelte mit den Augenbrauen, »wie das Grillenmännchen dem Grillenweibchen verliebt in die Ohren zirpt, während es –«
»Du hast aber schon mitbekommen, dass Grillen ihre Ohren an den Vorderbeinen tragen, oder?«
»Klar. Ich war ja auch noch nicht fertig mit der Schilderung der Details.«
Genug der Grillen. Eigentlich hatten wir Dringenderes zu besprechen. »Also, was machen wir jetzt? Dir geistert dieser Fall doch auch ständig im Kopf herum.«
»Ehrlich gesagt geistert mir etwas ganz anderes im Kopf herum.«
»Was denn?«
Er sah mich prüfend an und strich sich mit der flachen Hand über das stoppelige Kinn. Seine markanten Züge waren endlich entspannt, trotzdem wirkte er unruhig. »Kannst du dir das wirklich nicht vorstellen?«
Wenn er so fragte … Ich konnte schon. Die Frage war, ob ich wollte. »Um ehrlich zu sein: Ich nutze jede sich bietende Gelegenheit, um nicht darüber nachzudenken«, antwortete ich
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