Donaugrund (German Edition)
zu sein!« Weshalb ich plötzlich aufschluchzte, wusste ich selbst nicht so genau. Vielleicht, weil mir mit erschreckender Klarheit bewusst wurde, wie belastend ich die Situation wirklich fand.
Raphael drückte mit einem erschütterten Seitenblick auf mich die Zigarette aus und zog mich in seine Arme. »Hey … nicht weinen …«
»Das sagst du so leicht …« Ich vergrub mein Gesicht in seiner duftenden Halsbeuge, ließ mich tätscheln und trösten und kam mir schon wieder schlecht vor. Eigentlich wollte ursprünglich doch er getröstet werden, oder?
»Wir müssen uns nicht trennen«, hörte ich Raphael leise sagen. »Übergangsweise kriegen wir das schon hin mit der Entfernung, für ein paar Wochen oder so. Und dann … Ich wollte eigentlich nicht mehr zurück nach München, aber …«
Ich löste mich von ihm und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Meinte er das ernst?
Einen Moment sah er mich nachdenklich an, dann fuhr er fort: »Ich würde trotzdem versuchen, mich an den Gedanken zu gewöhnen. Wenn du das möchtest … Selbst auf die Gefahr hin, dass unser Brötchengeber mich in die Klapse einweisen lässt, wenn ich schon wieder einen Versetzungsantrag stelle.« Angespannt versuchte er sich an einem Grinsen, das ziemlich schief ausfiel. »Es muss nicht zu Ende sein, nur weil du den Job annimmst.«
Er will nach München mitkommen? Wirklich?
Jetzt schauen Sie nicht so, als wäre ich unglaublich begriffsstutzig. Ich meine … Panik!!! Natürlich freue ich mich ein bisschen, vor allem darüber, dass er im Gegensatz zu mir so wild entschlossen ist. Aber: Panik!!! Sogar die Herrschaften auf meinen Schultern sind übrigens vor Schock verstummt. Wie zum Henker soll ich mit dieser Verantwortung leben? Panik!!! (Ich weiß, ich wiederhole mich.) Das geht doch nicht!
Ja, ich kann’s mir schon denken, für Sie klingt das wieder mal wahnsinnig romantisch. Und Sie wundern sich vielleicht, was es da zu überlegen gibt … Aber das Leben ist nun mal kein Roman, in dem sich mit Romantik alles retten und bewerkstelligen lässt, das wissen Sie doch!
Dafür bin ich einfach nicht bereit, befürchte ich. Weiß ich. Und ich muss sofort versuchen, ihm diese hirnrissige Idee wieder auszureden.
»Du würdest nach München zurückkehren – meinetwegen?«, fragte ich, nur um sicherzugehen, und versuchte, mir meine widersprüchlichen Gefühle nicht allzu sehr anmerken zu lassen.
Raphael nickte stumm.
»Das wäre riskant«, antwortete ich und kam mir mit dieser Phrase schrecklich banal vor. »Sogar sehr riskant.« Die Steigerung machte es auch nicht besser.
»Was mir wiederum völlig egal ist, Sarah«, antwortete er ernst und sah mich mit einem Blick an, der mir durch und durch ging. »Ich will dich nicht verlieren. Und ich werde dich nicht verlieren, wenn du mich nicht dazu zwingst.«
Wieder traten mir Tränen in die Augen, dieses Mal vor Rührung. Alles oder nichts, wie immer. Und auch wenn ich selbst leider um ein so Vielfaches halbherziger war, liebte ich ihn dafür umso mehr.
»Nur«, sagte Raphael und zog mich wieder an sich, »warum kannst du nicht endlich auch so an uns beide glauben wie ich?«
ZEHN
»Ich könnt euch den ganzen Schmarrn auch selbst lesen lassen, aber ich will mal nicht so sein.« Mit einem zufriedenen Grunzen klappte Herbert seine Notizen zu und kratzte sich den durch das obligatorische Karohemd, heute in Rot-Grün, verhüllten Bauch. »Also, ich mach’s kurz.« Mit einem verschmitzten Blick sah er in die Runde. »Nix.«
Moritz, der auf meinem Schreibtisch saß und mit den Beinen baumelte, kicherte, ich konnte nur noch den Kopf schütteln, und Raphael verdrehte die Augen. »Danke für diese detaillierte Analyse, Herbert. Ist doch schön, wenn man die Arbeit von knapp zwei Wochen in einem einzigen Wort zusammenfassen kann.«
»Ist doch bei euch auch nix anderes«, gab Herbert zurück.
Damit hatte er nun zu meinem Bedauern auch wieder recht. Aber ich hätte die getane Arbeit wenigstens in ein paar blumigere Formulierungen gepackt.
Raphael anscheinend auch. »Herbert, bitte. Wenn du keinen Bock mehr hast, mit uns zu kommunizieren, ist das deine Sache, solange es nicht um die Arbeit geht. Aber ich will wissen, was du dir da die letzten Tage reingezogen hast. Klar?«
Ich war der festen Überzeugung, dass Herbert nach dieser Ansage seine Unterlagen auf Raphaels Schreibtisch schmeißen und auf eine Tasse Kaffee zu Erna pilgern würde. Stattdessen brummte er irgendetwas vor sich hin und schlug
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