Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)
Wichtiges?«
»Vermutlich
Einbruch. Die Zentrale fragt, ob ich mir das kurz ansehen kann, wenn ich schon da
bin«
»Ich komm
mit! Kannst mich ja danach heimfahren.«
»Spricht
nichts dagegen«, murmelt Swensen und fährt an. Sein Blick folgt dem Lichtkegel der
Scheinwerfer, welcher der kurvigen Strecke vorauseilt. Auf dem Beifahrersitz betrachtet
Hollmann noch immer seine Himmelsbilder, während der reale Himmel bereits in einem
violetten Schwarz versunken ist. Abseits der schmalen Straße liegen verstreut Bauernhöfe,
deren diffuse Konturen hinter scharfen Baumsilhouetten hervorlugen. In Uelvesbüll
geht es an einer langen Reihe von Einfamilienhäusern vorbei, die gedrängt auf einem
deichähnlichen Hügel stehen. Die erleuchteten Fenster werfen ein wenig Licht auf
die roten Ziegelmauern und geben einen beiläufigen Blick ins Innere frei. Auf der
Wasseroberfläche eines Angelteiches schimmert der Abendhimmel im Mondlicht.
»Das ist
es. Das Gebäude rechts. Das ist der ehemalige Leutnantshof«, meldet sich Hollmann
zurück und schaltet seine Kamera aus.
»Ehemalig?«,
fragt Swensen nach.
»Die jetzigen
Besitzer haben ihn umbenannt. Heißt jetzt Oleanderhof, habe ich gehört. Im Dorf
bleibt er aber weiterhin der Leutnantshof.«
Der Kriminalist
steuert seinen Wagen rasant auf die Einfahrt und parkt ihn vor dem beleuchteten
Eingang. Im selben Moment, in dem die beiden Beamten aus dem Fahrzeug klettern,
öffnet sich die Haustür, und eine Frau tritt ins Freie. Swensen schätzt ihre Körpergröße
auf knapp einssiebzig. Für ihr Alter, und er ordnet sie Ende Fünfzig ein, hat sie
kein Pfund zu viel. Das rundliche Gesicht ist von Falten gezeichnet, das offene
rote Haar gibt der Frau etwas Kämpferisches.
»Sind Sie
von der Polizei?«, fragt sie. Ihre Stimme klingt misstrauisch. »Man sagte mir, es
kommt nur ein Beamter!«
»Das kann
sein, aber ich habe durch Zufall einen Kollegen dabei, Hauptkommissar Hollmann.
Ich bin Hauptkommissar Swensen und Sie sind Frau Eschenberg?«
Die Frau
nickt, ihre zusammengekniffenen Augen entspannen sich etwas.
»Dann haben
Sie den Einbruch gemeldet.«
»Oh, ja!
Entschuldigung!«, sagt die Frau, schenkt ihnen ein kurzes Lächeln. »So schnell hatte
ich gar nicht mit Ihnen gerechnet. Kommen Sie doch herein, ich führe Sie gleich
auf den Dachboden.«
Die beiden
Kommissare folgen der Frau in braunen Reithosen und schwarzen Stiefeln ins Haus.
Im großzügigen Vorraum mit chinesischen Standvasen und Ölbildern mit unbekannten
Persönlichkeiten in Uniformen führt eine breite, rustikale Holztreppe in die oberen
Räume. An der weißen Wand hängen zwei farblose Landschaften in schlichten Rahmen.
Darauf filigrane Weidenstämme vor einem flachen Horizont, der an die Eiderstedter
Landschaft erinnert.
»Das sind
Federzeichnungen von Horst Janssen«, erklärt Frau Eschenberg, als sie bemerkt, wie
Swensen kurz davor stehen bleibt.
»Ist das
nicht dieser Saufbold aus Hamburg?«, fragt Hollmann völlig unbekümmert und erntet
einen missbilligenden Blick.
»Herr Janssen
war ein begnadeter Zeichner, für viele der größte der Gegenwart«, weist die Frau
ihn zurecht und macht eine ehrfürchtige Handbewegung auf die Bilder zu, die mitten
in der Luft erstarrt. »Sie sind übrigens genau deswegen hier. Mir sind nämlich zwölf
besonders wertvolle Originalarbeiten des Künstlers vom Dachboden gestohlen worden.«
»Darf ich
fragen, warum Sie wertvolle Bilder auf dem Dachboden aufbewahren?«, fragt Swensen
provozierend, während sie eine schmale Treppe weiter nach oben steigen. »Hat das
irgendeine Bewandtnis?«
»Sie kennen
sich mit dem Werk des Herrn Janssen nicht aus, oder?« Frau Eschenbergs Stimme klingt
spitz und von oben herab.
»Ich kenne
seinen Namen. Persönlich kenne ich nur ein Bild von ihm. Es hängt bei unserem Chef
im Büro. Eine Amaryllisblüte. Ist allerdings kein Original, soweit ich weiß.«
»Wissen
Sie, was Horst Janssen mir einmal persönlich gesagt hat?«, fragt Frau Eschenberg
und ihre Stimme beginnt zu zittern. »Die Welt bezahlt mir ohne zu Murren Tausende
von Mark für den gezeichneten Fruchtknoten und die Staubstengel der Amaryllis, aber
sie schmäht meine Bildchen mit Schwanz und Vötzchen.«
Swensen
traut seinen Ohren kaum. Er hätte nicht erwartet, dass diese Frau aus gutem Hause
jemals solche frivolen Wörter in den Mund nehmen würde. Hollmann pfeift leise durch
die Zähne und grinst in sich hinein. Danach sind eine Zeitlang nur noch die Fußtritte
auf der
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