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Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Titel: Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Wasseroberfläche des Horizonts. Sie stapfen zurück in Richtung
Parkplatz und erreichen ihre Fahrzeuge, als bereits die Dämmerung einsetzt. Ein
Kiebitz stößt schrille Töne aus, gaukelt auf der Suche nach einem Schlafplätzchen
wild in der Luft herum. Hollmann und Swensen verabschieden sich, und der Hauptkommissar
sitzt schon auf dem Fahrersitz seines Polos, da kommt der Spurensicherer noch einmal
zu ihm herüber. Er hat ein Bild auf den Digitalbildschirm geladen und hält es Swensen
vor die Augen.
    »Guck dir
mal dieses Foto an. Das hab ich gestern am Deich vor Katingsiel geschossen.«
    Swensen
braucht einen Moment, um die kleine Abbildung zu erkennen. Auf der glatten Meeresoberfläche
ist ein winziger Krabbenkutter zu entdecken, der fast mit dem dunklen Wasser verschmilzt.
Eine mächtige Regenwolke hängt am grauweißen Himmel direkt darüber. Dem Kriminalisten
kommen sofort die Worte seines Meisters in den Sinn, damals im Kloster, als der
versuchte, seinen Schülern eine praktische Meditationsübung des Hinayana, des kleinen
Fahrzeugs des Buddhismus, zu erklären:
    »Stellt
euch eure Seele als ein gewaltiges Meer vor, das voll mit Informationen ist. Diese
Informationen sind unter der Wasseroberfläche und formen sich unsichtbar zu einem
Sinnzusammenhang. Jetzt stellt euch euren Geist als ein kleines Fahrzeug vor, das
über das Meer gleitet. In diesem Fahrzeug sitzt euer Ich und beobachtet die gekräuselten
Wellen, die der Wind in Bewegung hält. Aber es nimmt nur einen begrenzten Ausschnitt
wahr, die Weite des Meeres ist unüberschaubar. Was unterhalb des Fahrzeuges in der
Tiefe geschieht, hat eine Wirkung auf seine Bewegungen und somit auch auf das beobachtende
Ich. Unser Bewusstsein nutzt den Geist als ein Fahrzeug, steuert ihn über die unendliche
Weite der Seele. Es hängt also von der Stärke des Geistes und den Bewegungen der
Seele ab, wohin uns das Bewusstsein am Ende bringen wird.«
     
    »Der Geist ist ein Boot, das über
das Meer der Seele gleitet«, sagt Swensen intuitiv. Hollmann macht ein verdutztes
Gesicht. Dann fällt der Groschen und seine Augen strahlen.
    »Das ist
gut!«, lobt er fast glücklich. »Das ist sogar sehr gut! Genau so was hab ich mir
vorgestellt für diese Bilder.«
    »Findest
du? Das ist jetzt sehr spontan gekommen.«
    »Doch, Jan,
das ist Klasse! Ich mach dir einen Vorschlag, ich bringe dir morgen einen Stapel
von meinen Fotos mit. Du siehst sie dir in Ruhe durch und lässt dir etwas dazu einfallen.
Ich kümmere mich in der Zwischenzeit um einen Verlag, der sich für unsere Idee interessieren
könnte. Du siehst, du kannst dir alle Zeit der Welt lassen, denn das wird sicherlich
nicht auf Anhieb klappen. Hauptsache, bei dir kommt am Ende etwas raus, wie … ja,
wie gerade eben!«
    »Du kannst
Leute motivieren, Peter«, grinst Swensen. »Okay, lass uns das Buch machen!«
    »Handschlag!«,
sagt Peter Hollmann und streckt dem Hauptkommissar seine Hand entgegen. Der schlägt
bereitwillig ein.
    Wenig später
ist Swensen, den langen Arbeitstag in den Knochen, auf der Rückfahrt durch die Dunkelheit.
Er öffnet das Seitenfenster einen Spalt und hält seine Stirn in den kühlen Fahrtwind.
Schwarze Windräder drehen Striche in die tiefblaue Nacht. Die Scheinwerferlichter
des Polos lecken an den verschlafenen Backsteinhäusern von Oldenswort entlang. In
Swensens Gedanken vermischen sich die stillen Bilder aus dem Watt mit den Kriegsbildern
seines Vaters. Er sieht ihn im gestreiften Pyjama, lächelnd, mit verbundenem Arm
auf einer Krankenhaustreppe stehen, inmitten von verletzten Kameraden, irgendwo
in Polen. Ein anderes Bild zeigt ihn, umringt von denselben Kameraden mit Bierflaschen
in den Händen. Sie schäkern ausgelassen mit einer Krankenschwester, die sich in
frivoler Pose auf einem kleinen Tisch räkelt.
    Auch Witzwort
träumt bereits unter einem klaren Sternenhimmel. Er parkt seinen Wagen unter der
Milchstrasse und marschiert durch den Vorgarten dem verwaisten Reetdachhaus entgegen,
seinem Zuhause. Auf dem Anrufbeantworter ist eine Nachricht aus der Schweiz. Anna
hat eine Telefonnummer und den Hinweis hinterlassen, er könne sie auch noch spät
am Abend anrufen. Er tippt die Zahlen ein, um Annas Stimme zu hören, und sie nimmt
gleich nach dem ersten Klingeln ab.
    »Schön,
dass du noch anrufst«, meldet sie sich aufgekratzt und erzählt begeistert von den
Eindrücken, die sie bis jetzt in dem Trauma-Zentrum gewonnen hat.
    »Und du?«,
fragt sie. »Wie geht euer Fall voran?«
    »In

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