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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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nicht auszudiskutieren. Glücklicherweise machte The Undertaker in jenem Moment eine offensichtlich unpassende Bemerkung über Make My Days Freundin, worauf Make My Day ein Glas Vegemite Richtung Undertaker schleuderte, aber nur den Außenspiegel von Spencers Lastwagen traf. Siebeneisen beschloss, sich schon mal langsam aufbruchsfertig zu machen.
    Und jetzt zockelte er also mit seinen beiden Beifahrern hinter den anderen her. Weil aus den Fenstern des Autos vor ihm immer wieder leere Bierdosen flogen und Make My Day mehrmals seine geballte Faust aus dem Fenster reckte, ließ Siebeneisen ein paar Hundert Meter Abstand zwischen sich und dem Konvoi.
    »Dieser blöde Idiot!« Lucky Jim war aufgewacht. »Spencer sollte ihn einfach nicht mehr mitnehmen. Spätestens seit der Sache mit den Mäusen nicht mehr.«
    Siebeneisen wartete auf den üblichen Monolog von der Rückbank, aber offenbar war Lucky Jim zu verkatert, um wie sonst üblich einen Nebensatz an den anderen zu tackern.
    »Welche Mäuse?«
    »Vor dem Boxzirkus gehörte Spencer ein Mäusezirkus. Alle dressiert. Konnten oben auf den Waggons einer Spielzeugeisenbahn fahren. Sogar Loopings. Die Leute waren völlig verrückt nach der Show. War in ganz Australien unterwegs.«
    »Und?«
    »Funktionierte natürlich nicht von selbst. Spencer hat die Mäuse mit Sekundenkleber auf die Eisenbahnwaggons geklebt. Hat das Ganze ›Psychadelic Mouse Circus‹ genannt. Irgendwann sind ihm die Tierschützer auf die Schliche gekommen. In Sydney haben ihn dann die Bullen während der Vorführung hochgenommen.«
    »Und Make My Day? Hat der den Schrankenwärter gespielt?«
    »Der war damals für die Mäuse verantwortlich. Hat sie gefüttert und ihnen nach der Show den Kleber von den Pfoten gelöst und all das, verstehste? Als die Bullen die Eisenbahnanlage beschlagnahmen wollten, hat er mit einem Schienenstrang auf sie eingeschlagen. Kannste dir das vorstellen?«
    Das konnte Siebeneisen, sogar sehr gut konnte er das. Seit seiner Ankunft auf diesem Kontinent hatte er kaum einen Menschen getroffen, der nach Oer-Erkenschwicker Maßstäben als halbwegs normal durchgegangen wäre. Da wunderte es ihn überhaupt nicht, dass ein mäuseliebender Schläger Polizisten mit den Schienen einer Spielzeugeisenbahn verdrosch. Und auch nicht, dass Lucky Jim durch seine Erinnerungen an den Psychadelic Mouse Circus nun allmählich in Fahrt kam und ein weiteres Potpourri herzerwärmender Lagerfeuergeschichten von sich gab, die sich vom Mäusepolizeieinsatz in Sydney über Razzien auf Krabbenfischerbooten bis zu historischen Anekdoten über Ned Kelly spannten, offenbar ein Gesetzloser, der im 19. Jahrhundert im Outback unterwegs gewesen war und den Reichen genommen hatte, um den Armen zu geben. Siebeneisen hatte kurz vor seiner Abreise Robin Hood im Kino gesehen, mit Cate Blanchett als Lady Marian, und jetzt merkte er, wie seine Gedanken abschweiften, Richtung Sherwood Forest und ein Leben in Baumhäusern. Das Gelaber vom Rücksitz, das Gerumpel auf dieser ausgefahrenen Piste, das leise Schnarchen des Kängurus, die Hitze – all das führte dazu, dass er allmählich in eine Art Kokon zu rutschen schien. In eine kleine, eigene Welt, in der die Realität keine Rolle spielte und stattdessen eine ätherische Cate Blanchett über dem Morgentau schwebte. Bis er merkte, dass das da auf seiner Schulter Lucky Jims Hand war.
    »Wo sind denn die anderen? Die waren doch eben noch vor uns! Haben wir irgendwo ’ne Abzweigung verpasst?«
    Als sie Birdsville elf Stunden später erreichten (und damit etwa sieben Stunden nach den anderen, die an der einzigen Kreuzung weit und breit die Hinweisschilder beachtet hatten), thronte das rot-weiße Zirkuszelt der Boxer neben der Kneipe in der Ortsmitte. Ortsmitte? Auch Birdsville war nicht viel mehr als der Schnittpunkt zweier Pisten. Allerdings ein sehr belebter Schnittpunkt. Sie mussten das Auto draußen im Outback stehen lassen, weil in der Ortsmitte selbst schon überall Autos standen. Siebeneisen schätzte, dass sich von den vielleicht 2 000 Menschen, die sich hier eingefunden hatten, etwa 1 900 vor dem Zelt drängten. Die Übrigen standen vor Sheila O’Shadys Hotdog-Bude. Er beschloss, mit der Kontaktaufnahme bis nach der Show zu warten, wenn alle ihr Würstchen gegessen hatten, das schien ihm passender, als mit der Tür ins Haus zu fallen. Vorher würde er sich die Vorführung im Zelt ansehen.
    Spencers Boxzirkus funktionierte nach einem einfachen Prinzip: Jeder aus dem

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