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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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Hoffentlich. O’Shady sah auf die Uhr. In einer Stunde würden die Ersten zurück an Land kommen. Wenn er es ausprobieren wollte, konnte er es genauso gut gleich heute tun.
    Er ging aus der Vorratskammer hinüber ins Labor und kniff sofort die Augen zusammen – auch nach sieben Monaten in der Antarktis hatte er sich nicht an deren Helligkeit gewöhnen können. Draußen konnte man sich eigentlich nie ohne Sonnenbrille aufhalten, selbst an bedeckten Tagen nicht, aber auch in den Räumen der kleinen Forschungsstation war es oft unangenehm hell. Wissenschaftliche Untersuchungen führten in diesem Zusammenhang immer die absolute Reinheit der antarktischen Luft an, und dass hier draußen eben keine Ruß- und Staubpartikel das Licht filterten wie überall sonst auf der Welt. O’Shady hielt das für absolut nebensächlich. Dass es selbst in den hintersten Ecken des Labors so hell war, lag seiner Meinung nach in erster Linie daran, dass die komplette Welt um dieses Labor herum ausschließlich aus gleißendem, weißem Eis bestand. An den Rändern des Kontinents, also dort, wo Kreuzfahrttouristen an Land gingen oder Fernsehteams ihre Dokumentarfilme drehten, die auch er an verregneten Sonntagnachmittagen zur Genüge gesehen hatte, da erinnerte die Antarktis ja meistens an einen skandinavischen Küstenabschnitt im Winter, vereist und verschneit zwar, wegen seiner frei liegenden Felsen und Kiesstrände aber durchaus noch einwandfrei als Landmasse zu erkennen. Hier draußen am Rande des Smurf-Schildes aber sah die Sache anders aus. Hier gab es keine Felsen, keine Steine, keinen Kiesstrand, noch nicht einmal einen winzigen Erdkrümel gab es hier. Die Station hockte auf einer mindestens 400 Meter dicken Eisschicht, und wenn man sie auf einer Landkarte einzeichnen und anschließend mit dem Zirkel einen Kreis mit einem Radius von 250 Kilometern um sie herum ziehen würde, dann hätte man nichts anderes eingekreist als, nun ja: Eis. Beziehungsweise: Eiswasser, auf der südöstlichen Seite, die schmale Callaway-Bucht war nur zweihundert Meter entfernt. O’Shady schirmte seine Augen mit der flachen Hand ab und schaute hinaus auf das glitzernde Wasser. Manchmal konnte man dort Wale sehen, ganz nah. Heute wirkte das Meer wie plattgehämmert und glitzerte, als schwämmen Millionen kleiner Sterne auf seinen flachen Wogen. An der Eiskante stand eine endlos langgezogene Vierer- und Fünferreihe regloser Silhouetten: Die jungen Pinguine warteten darauf, dass ihre Eltern vom Fischfang zurückkehren würden.
    In der Welt der gehypten Tierarten waren Kaiserpinguine ja die absoluten Superstars, dachte O’Shady. Natürlich punkteten Fischotter, Wombats und Opossumbabys wesentlich höher in der »Ach Gott, wie niedlich«-Rubrik – bloß konnten sie sich im weltweiten Vermarktungswettbewerb offensichtlich auf keine nennenswerte Lobby stützen. Clownfische? Schwer zu halten, anfällig, trieben gerne mit dem Bauch nach oben im Becken, wenn die Kleinen aus der Schule kamen und den lieben Nemo füttern wollten. Collies, Delfine, Kängurus? Hatten ihre beste Zeit in den Siebzigern (mittlerweile ging es ja in populären Fernsehserien um die Probleme im Zusammenleben von Mensch und Vampir und ähnliche Dinge). Und sonst? War da ja nicht viel. Eisbären wurden lediglich verehrt, solange sie nicht größer waren als Möpse. Koalas waren ein wenig zu lethargisch, bei denen wusste man nie, ob sie da oben in ihren Eukalyptusbaumastgabeln schon das Zeitliche gesegnet hatten oder noch meditierten. Und die Orcas waren nach Willys Abgang und einigen unschönen Zwischenfällen in amerikanischen Freizeitparks komplett aus der Beliebtheitsskala verschwunden. Blieben die Pinguine: trollig, tollpatschig und fürsorglich, ein Geschenk für die Trickfilm- und Stofftierindustrie. Dass sie auf zwei Beinen liefen, machte sie beinahe menschlich. Und pädagogisch wertvoll waren sie obendrein, Rollenteilung bei Nahrungssuche und Ausbrüten der Eier, demokratisches Verhalten in Extremsituationen (während der Winterstürme werden abwechselnd alle Vögel zum Aufwärmen in ihre geschützte Mitte gelassen), spielerisches Zusammenleben der Küken in Kitagruppen während der Abwesenheit der berufstätigen Eltern – man konnte fast meinen, Pinguine seien die besseren Menschen. Außerdem taten sie keiner Seele etwas zuleide. Dass die Leute bei Pinguinen ausschließlich an Kaiserpinguine dachten und nonchalant ignorierten, dass es neben dieser Spezies auch noch siebzehn andere

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