Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)
hatten.
»Trinkt man den in Irland so?« Mittlerweile war es zwei Stunden her, dass Siebeneisen seine Nachricht überbracht hatte. Sie waren längst zu Hochprozentigem übergegangen. Siebeneisen sah Liam O’Shady zu, wie er seinen Whiskey lange im Mund hin und her spülte und für etliche Sekunden in die linke Wange drückte, bevor er ihn schluckte.
»Das betäubt. Und desinfiziert. Ich habe so einen seltsamen Druck da hinten links. Ich glaube, da entzündet sich was.«
»Na, da sind Sie bei sich ja in besten Händen.«
Kommt ein Zahnarzt zum Zahnarzt: Hörte sich an wie der Beginn eines Kalauers. Siebeneisen versuchte sich vorzustellen, wie das war, wenn ein Zahnarzt Zahnschmerzen bekam. Er trank einen Schluck, griff in die Tüte »Shiva Potatoe Chips« und betrachtete den Barkeeper, der schlafend über der Registrierkasse hing. O’Shady war den neugierigen Franzosen losgeworden, indem er ihn zum Mittrinken animiert hatte. Irgendwann nach dem vierten Gas war der Barkeeper eingeschlafen.
»Fällt mir gerade ein …«, sagte O’Shady nach einer Weile, »das war ja bestimmt nicht so, sonst hätten Sie längst etwas gemerkt, aber …«
Er nahm eine Handvoll Chips.
»Was war nicht so? Was hätte ich bemerkt?«
»Bei Ihrem Abendessen in der Hauptstadt, da war kein Geflügel in Ihren Linsen, oder?«
Siebeneisen dachte nach. Das war in der Kate des Ältestenrats gewesen. Eine alte Frau hatte ihnen das Essen gebracht. Den Teller mit der größten Portion hatte sich damals Rashid geschnappt, an die anschließende Geräuschkulisse konnte er sich gut erinnern. Er selbst hatte die üblichen Linsen mit Reis gegessen. Er sagte das dem Iren.
»Habe ich mir schon gedacht.« O’Shady grinste. »Die Alten hatten die Portion für Ihren Aufpasser nämlich ein wenig präpariert.«
»Was? Womit denn?«
»Geierhoden. Der wird gehäckselt und anschließend mit einer bestimmten Flechte gemischt.«
»Um Himmels willen. Und wozu?«
»Ruft in kleinen Dosen angeblich Erinnerungslücken hervor. Wenn man mehr davon isst, spielen die Synapsen da oben in der Schaltzentrale ein bisschen verrückt«. Er klopfte sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Man glaubt dann, man sei wieder …«
Siebeneisen schaute den Iren an. Er verstand, ganz genau verstand er.
»… ein kleines Kind?«, ergänzte er den Satz.
Und Liam O’Shady lächelte sein schönstes Zahnarztlächeln. Auch, wenn es hinten links ziemlich wehtat.
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Aus dem »Gesendete E-Mails«-Ordner von Dr.Timothy Leroy,
Leiter Glaziologisches Forschungszentrum,
Queen Mum Station, Antarktis
(Unterordner »Anfragen«, Subfolder »Bizarres«).
From: Dr. Timothy Leroy
To: Manfred »Zen« Wipperfürth
Sent: 12. März 2010, 13:14
Re: Contact O’Shady
Sehr geehrter Herr Wipperfürth,
Ihre E-Mail-Anfrage hat mich über unsere Headquarters in London erreicht. Ich darf Ihnen mitteilen, dass James O’Shady tatsächlich Mitglied unseres Forschungsteams ist – und gleichzeitig meine Bewunderung für Ihre Rechercheleistung zum Ausdruck bringen.
Dass Sie Dr. O’Shady bis zu uns verfolgen konnten, obwohl Ihnen ursprünglich nicht mehr als die Information vorlag, nach der unser Mitarbeiter »irgendwas mit Eis« zu hat, verdient meinen Respekt. Die Schilderung über Ihre Suche bei namhaften Speiseeisherstellern habe ich interessiert gelesen (obwohl ich nicht wirklich glauben kann, dass Herr Schatten tatsächlich zwei Kilo Vanilleeis auf einmal essen kann, da haben Sie bestimmt etwas übertrieben, nehme ich an). Auch Ihre Telefonate mit der Tiefkühlschrankfabrik konnte ich mir lebhaft vorstellen. Dass Ihnen dann ausgerechnet im Kino die Idee gekommen ist, Ihre Suche auf die Forschungsstationen in der Antarktis auszudehnen, war ja wirklich ein schöner Zufall. Ich dachte bisher immer, dieses Happy Feet sei ein Film für Kinder im Vorschulalter. Waren Sie mit Ihrer Tochter dort?
Jetzt aber zur Sache! Leider ist es mir nicht möglich, Ihre E-Mail weiterzuleiten – Dr. O’Shady befindet sich noch etwa fünf Monate auf unserer Satellitenstation am Rande des Smurf-Schildes, um dort das Verhalten von Kaiserpinguinen gegenüber einer einzelnen Bezugsperson und umgekehrt zu dokumentieren (die genaue Versuchsbezeichnung ist etwas komplizierter, »Nähe trotz DNA -Divergenz? Wechselwirkungen zwischen homo sapiens und aptenodytes forster«). Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass eine Kontaktaufnahme mit der Satellitenstation nur für absolute Notfälle vorgesehen ist, um den
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