Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)
bestimmt mit großem Interesse lesen.
Jetzt aber zu dir. Gut, dass du privat untergekommen bist! Schatten hat eine Runde ausgegeben, als ich ihm davon erzählt habe. Ist bestimmt eine richtige Southern Belle, deine Ghostbusterin! Und ab jetzt wohnst du budgetschonend!
Zur Sache: War natürlich ein heftiges Gegoogle. Tougher Job, den du da für mich hattest. Hab einiges gut bei dir! 223 North Rampart Street – das ist die Adresse, die du haben willst. Scheint eine Art Kostümverleih zu sein.
Na also, dachte Siebeneisen, es geht doch. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Wipperfürth wirklich lange gebraucht hatte, bis er die Adresse herausgefunden hatte. Der Mann tat ja die ganze Zeit schon so, als sei es die wirklich schwierige Aufgabe, zu Hause am Computer zu sitzen, während er sich hier in New Orleans mit Geistern herumschlagen musste. Nein: mit Entitäten. Und mit weiß Gott sonst noch für Dingen.
Er legte seinem fünfjährigen Kumpel zwei Dollarscheine neben die Tastatur, der das mit einem sehr lässigen Kopfnicken quittierte. Jetzt musste er nur noch rasch zur Villa La Reina auf der anderen Straßenseite, die Rechnung bezahlen und das Gepäck abholen. Als er an dem Käfig im Patio vorbeikam, hüpfte der Papagei auf die höchste Stange und reckte seinen Hals. »Flammen am Horizont! Atlanta brennt! Sherman hat Atlanta angezündet! Rettet Euch! Rettet Euch!« Siebeneisen musste schmunzeln. Und an die Nacht denken, in der er nach dem Regen mit Lawn nach Hause gegangen war.
24
(Drei Tage zuvor, die Nacht nach dem Dinner. Immer noch New Orleans. Natürlich.)
Das bernsteinfarbene Licht der alten Lampe ließ die Schatten besonders dunkel aussehen. Sie zappelten über die Wand, sie schwankten nach rechts, ruckten nach links, hielten still.
»Du kannst ja deine kleinen Zehen separat bewegen!« staunte Siebeneisen.
»Hmhm.«
»Mach das bitte noch einmal. Nur die kleinen.«
»Hmhm«
Kleine Scherenschnitt-Stäbchen ganz links und ganz rechts entfernten sich von den anderen.
»Wunderbar.«
Sie lagen nebeneinander in Lawns Bett. Schon etwas länger. Draußen würde es gleich dämmern. Der Geist war nicht erschienen. Vielleicht hatten ihn die Geräusche abgeschreckt.
»Meinst du, er kommt noch?«
»Hmmm?«
»Der Geist? Die Entität? Kommt er – äh –, kommt sie noch? Was meinst du?«
Lawn murmelte etwas, aus dem die Worte »nicht schnarchen«, »jetzt schlafen« und »harter Tag morgen« herauszuhören waren. Sie kuschelte sich an Siebeneisens Schulter. Ihr Atem ging so gleichmäßig wie der eines buddhistischen Mönches.
Nun gut, dachte er, dann würde er eben auch. Müde genug war er ja.
Und dann war es auch schon hell, Siebeneisen konnte das Licht des neuen Tages mit geschlossenen Augen spüren. Er zog sich die Decke über den Kopf. Keinesfalls wollte er jetzt aufwachen, oh nein, das würde er nicht zulassen, nicht jetzt schon. Er fühlte sich, als habe er gerade mal ein paar Minuten geschlafen. Eher weniger. Irgendwo in den abgelegenen Regionen seines Kopfes war eine emsige Truppe Wichtel mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Das muss sich ändern, dachte er, wenn er zu Hause wäre, würde er ausschlafen. Nur ausschlafen. Er spürte Lawns Hand in seiner. Er spürte, wie Lawns Hand seine Hand sanft drückte. Und dann nicht mehr so sanft. Siebeneisen öffnete die Augen und sah Lawn an. Lawn sah jemand anderen an.
Vor dem Bett stand O’Shady. Beziehungsweise: das, was von ihm 150 Jahre nach seinem Ableben noch übrig war. Er stand auch nicht wirklich vor dem Bett. Er hing eher im Raum. Die Erscheinung war merkwürdig transparent und grobkörnig; sie sah ein bisschen aus wie ein Foto, das mit einer billigen Digitalkamera aufgenommen und dann viel zu stark vergrößert worden war. Ein trübes Leuchten, das Siebeneisen für das Licht der Sonne gehalten hatte, umgab O’Shadys vibrierende Umrisse wie ein Ring. Wenn es denn überhaupt O’Shady war. Siebeneisen schloss die Augen und öffnete sie wieder, aber absolut sicher war er sich nicht. Für Sekunden war die flackernde Gestalt kaum noch zu erkennen, dann war sie wieder etwas deutlicher zu sehen. O’Shady schien die Uniform eines Infanteristen zu tragen. Und einen Schnurrbart, wie man ihn normalerweise ausschließlich in den Kneipen der Kölner Altstadt sieht.
»Hallo, Mr O’Shady!« Lawn klang so beiläufig, als würde sie einen Nachbarn auf der anderen Seite des Gartenzaunes begrüßen.
Der Geist antwortete nicht. Er zuckte ein wenig in der Luft.
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