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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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soll. Er war ganz anders als sonst. Völlig perplex, dass ich ihn mit seinem Namen angesprochen habe. Den wusste ich ja nicht, bevor du ihn mir gesagt hast. Offensichtlich hat ihn das dazu gebracht, uns das mit dem Brief zu erzählen …«
    Erst jetzt fiel Siebeneisen die Erscheinung in der Nacht wieder ein. Ein Flackern im Raum – mehr war da nicht gewesen. Er war sich nicht sicher, dass er so etwas wie einen Geist gesehen hatte. Er war sich eigentlich sicher, dass er keinen gesehen hatte. Eine Botschaft hatte er erst recht nicht gehört. Das war alles Einbildung; der Jetlag, der Alkohol, diese Frau, der endlos lange Tag, all das war …
    »Da ist was!« Lawns Stimme vom Fußboden. Eine kleine Holzschatulle, unter den Bohlen. Und in der Schatulle: ein altes Gebetbuch. Verblichene Schwarz-Weiß-Fotos, ein paar Papiere, eine Taschenuhr, ein Schlüssel, was man so in eine Kiste steckt, wenn man alles zurücklassen muss und gleichzeitig hofft, bald wiederzukehren. Ein gefalteter Brief. Siebeneisen sah handgeschriebene Zeilen. Er hielt es für besser, nichts zu sagen. Und war vor allem froh, dass er gerade eben nichts gesagt hatte.
    Shenandoah Valley, am Nachmittag des 18. Oktobers 1864
    Liebe Margareth,
    es geht mir gut: Das soll die erste Kunde sein, die Du in diesem Schreiben erfährst. Wir liegen im Shenandoah Valley, einem Flecken, wie ihn der Herrgott nicht schöner hätte erschaffen können. Wenn Du doch die Pappeln sehen könntest, wie sie golden in der Herbstsonne leuchten! Wenn es später dunkel wird, wollen wir aufbrechen, um uns Sheridans Armee zu nähern, die nördlich des Cedar Creeks lagert. Morgen früh wird es zur Schlacht kommen, heißt es.
    Bitte glaube nicht, was die Marktleute und Honoratioren erzählen, und auch nicht das, was Reverend Santiago predigt, wenn er denkt, nur Südstaatler seien in der Kirche. Dieser Krieg ist schon lange verloren. Die Übermacht der Yankees ist viel zu groß, als dass der Süden als Sieger aus diesem Ringen hervorgehen könnte. Auch Gott steht möglicherweise nicht auf unserer Seite, auch wenn er immer als unser Verbündeter beschworen wird. Wir mögen für unsere Heimat kämpfen, für unseren Grund und Boden und für unsere Zukunft – für die Gerechtigkeit aber kämpfen wir nicht. Du weißt, wie meine Haltung zur Sklaverei war und ist. Und jetzt kämpfe ich auf der Seite derjenigen, die sie verteidigen.
    Margareth, bitte flüchte, die Stadt ist nicht sicher. Sherman marschiert wie ein Berserker durch Georgia, und er wird Louisiana nicht ungeschoren davonkommen lassen – auch wenn New Orleans längst in der Hand des Feindes ist. Es wird erzählt, dass der Himmel über Atlanta wegen des Rauchs der brennenden Plantagen seit Wochen schon nicht mehr hell geworden ist. Nimm nur das Notwendigste mit. Vernichte alles Persönliche. Unser Gold ist in Sicherheit, wie Du weißt – niemand wird es finden. Es scheint mir auch ratsam, dass Du Deinen Künstlernamen annimmst, wenigstens für eine Weile. Die Yankees werden irgendwann dahinterkommen, dass Gregory O’Shady ein gut situierter Geschäftsmann in New Orleans war und sein Vermögen schwerlich zur Armee mitgenommen hat. Dein Künstlername wird Dich tarnen. Ich habe ihn sowieso gerne gemocht, Mary Whitesail, das klingt nach Wind und Freiheit. Und er passt so gut zu Deinen Bildern vom Meer.
    Wenn das hier alles vorbei ist, werden wir uns wiedersehen. Ich schließe Dich in meine Gebete ein. Gott schütze Dich.
    Gregory.
    Whitesail, dachte Siebeneisen. Wir suchen keinen O’Shady. Unser Mann ist tatsächlich der Nachfahre des Briefeschreibers und nennt sich Whitesail. Finn Whitesail. So musste es sein. Deswegen stand kein O’Shady im Telefonbuch von New Orleans, deswegen hatten sie außer einem computermanipulierten Foto keine Spur von ihm. Er musste das gleich Wipperfürth mitteilen. Mit dem richtigen Namen würde der ihren Mann schnell finden.
    Lawn hielt noch immer den Brief in der Hand. Wahrscheinlich dachte sie darüber nach, auf welche Art Gregory O’Shady ums Leben gekommen war und warum sein Geist keine Ruhe fand. Für eine Ghostbusterin warf so ein plötzlich gefundener Brief wahrscheinlich mehr Fragen als Antworten auf.
    »Kann ich schnell eine E-Mail von deinem PC schicken?«
    »Steht im Büro.« Lawn war wieder in der Gegenwart. Sie legte den Brief vorsichtig zurück zu den anderen Dingen in der Schatulle. »Brauchst du lange? Ich muss nochmal raus ins Cajun Country. Nach Thornbush, ich bin da gestern nicht

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