Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)
fertig geworden. Kommst du mit?«
Lawns Auto stand mehrere Querstraßen weit entfernt, und auf dem Weg erzählte sie ihm von der Rolle der Iren im amerikanischen Bürgerkrieg. Die meisten Einwanderer hatten auf Seiten der Nordstaaten gekämpft, New York, Boston und Washington besaßen die größten irischen Enklaven. Bis an den Golf von Mexiko hatte es nur wenige verschlagen, New Orleans blieb auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Stadt, die viel stärker vom französischen, spanischen oder afrikanischen Einfluss geprägt war. O’Shady aber schien sich hier am Mississippi wohlgefühlt zu haben. Wahrscheinlich war er irgendwann in den letzten Kriegsmonaten ums Leben gekommen, möglicherweise ja bereits in der Schlacht von Cedar Creek, an deren Vorabend er den Brief an seine Frau geschrieben hatte. Nach New Orleans jedenfalls schien er nicht mehr zurückgekehrt zu sein. Beziehungsweise nur als Geist.
»Das mit dem Künstlernamen kenne ich.« Sie waren seit einer knappen Stunde unterwegs. Die Landstraße war zu einer Allee geworden, an der sich die Bäume rechts und links über Meilen hinweg entschlossen hatten, Kontakt mit ihren Gegenübern aufzunehmen. Ihr Auto fuhr unter einem Baldachin aus Grün.
»In meiner entfernten Verwandtschaft gibt es einen Comiczeichner, der sich nach seinem Urururgroßvater nennt«, sagte Siebeneisen, »Künstler machen so was.«
»Hm.«
»An was denkst du?«
»An Gregory. Er hatte offensichtlich eine Ahnung, dass er den Krieg nicht überleben würde. Ich frage mich nur, weshalb er noch immer in seinem alten Haus erscheint. Das ist äußerst ungewöhnlich. Normalerweise tauchen die Entitäten verstorbener Soldaten eher auf den Schlachtfeldern auf.«
»Vielleicht ist es ihm da zu voll.« Wenn Lawn Recht hätte, würden sie sich auf solchen Geländen gegenseitig auf die Füße treten, die Entitäten.
»Was machen wir denn eigentlich in dieser Plantage?«
»Die Besitzer haben vor ein paar Tagen merkwürdige Geräusche gehört. Soll ein ziemlicher Radau gewesen sein. Die Thornbush-Entitäten verhalten sich immer etwas rüpelhaft, aber dieses Mal war es wohl noch schlimmer. Ich war schon mal dort, an dem Tag, an dem wir uns in Fred’s Lounge getroffen haben, da konnte ich aber nichts entdecken. Bin allerdings auch noch nicht in allen Flügeln des Hauses gewesen. Thornbush ist ziemlich groß.«
Das Herrenhaus der Plantage stand in einem Hain aus verkrüppelten Eichen, von deren Ästen hässliches Spinnwebenmoos faserte. Im Garten hockten Steinputten mit tragischen Gesichtsausdrücken; Steine, Mauern und die verfallenen Reste mehrerer Springbrunnen waren mit einem Pelz aus Moos und Flechten überzogen. Wie konnte man nur so wohnen? Siebeneisen musste an die Edgar-Allen-Poe-Verfilmungen mit Vincent Price denken, die das deutsche Fernsehen über viele Jahre für Höhepunkte des Horrorfilmgenres gehalten und ständig wiederholt hatte. Er ließ Lawn vorangehen und bemühte sich, keine dieser furchtbaren herunterhängenden Mooszöpfe zu berühren. In der Tür am Ende einer reparaturbedürftigen Treppe stand eine alte, farbige Frau in einem geblümten Kleid, die Lawn ihm als Abigail vorstellte. Sie bat die beiden ins Haus.
»Abby kann dir ja ein bisschen was über Thornbush erzählen. Ich schau mal, ob ich was finden kann.«
»Da kannst du wetten, dass ich was erzählen kann, Kleine! Bin schließlich seit 50 Jahren hier angestellt!« Die Frau legte einen Arm um Siebeneisens Schulter.
»Na, Süßer, komm, setzen wir uns in die Küche.«
Er wollte ihr ein Kompliment machen, etwas mit »Sie sehen viel jünger aus!« oder was man in solchen Situationen so sagt, aber dazu kam Siebeneisen nicht. Abigail hatte offensichtlich nur auf einen Besucher gewartet, dem sie detailliert erzählen konnte, was sich in einem halben Jahrhundert in diesem Haus so alles an Informationen angesammelt hatte.
»Wurde 1796 gebaut, die Plantage. Leider auf einer Begräbnisstätte der Tunica-Indianer. Macht man natürlich nicht, so was, kann nicht gut gehen. Ist es dann auch nicht, aber dazu später. Als ob es damals nicht genügend Platz gegeben hätte! Aber nein, da geht dieser General Malcolm McAllister hin, räumt ein paar Skelette zur Seite, setzt sich auf einen modernden Baumstumpf und stellt fest: Oh, man, I like it here! «
Siebeneisen sah sich in der Küche um. Viele Flaschen. Er bekam Durst. Abigail war inzwischen bei der Zeit nach dem Richtfest angelangt. Beziehungsweise bereits bei der
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