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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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Wahrscheinlich der Ventilator, dachte Siebeneisen. Er glaubte, einen überraschten Ausdruck in seinen Augen zu erkennen.
    »Kann er uns hören?« Siebeneisen flüsterte.
    »Ich bin mir nicht sicher. Manchmal reagieren sie, als ob sie es könnten. Ist aber wissenschaftlich nicht erwiesen.«
    Ach was, dachte Siebeneisen. Wissenschaftlich nicht erwiesen. Vor ihm flimmerte ein 200 Jahre alter Südstaatler, aber es war nicht bewiesen, ob er sie auch hören konnte. Na prima.
    »Mr O’Shady?« Lawn hatte sich langsam aufgerichtet und sich das Kopfkissen hinter den Rücken geschoben, um bequem sitzen zu können.
    »Mr O’Shady, das hier ist Mr Siebeneisen. Aus Deutschland. Ich glaube, Mr Siebeneisen ist auf der Suche nach einem Ihrer Nachfahren. Finn, so heißt er. Er sieht genau aus wie Sie. Bis auf den Bart. Finn hat großes Glück: Er wird ein stattliches Vermögen erben.«
    Für einen Moment schien der Geist genug von seiner Fluoresziererei zu haben: Das Flackern hörte auf. Dann wurde die Gestalt durchsichtiger. Für zwei, drei Sekunden konnte man sie noch erahnen. Dann war O’Shady verschwunden.
    »Danke!« Lawn strahlte. »Leben Sie wohl!«
    Siebeneisen schaute zu der Stelle, an der er bis vor fünf Sekunden die erste Entität seines Lebens gesehen hatte. Gesehen zu haben meinte. Er drehte sich zu Lawn um. »Danke wofür?«
    Lawn lächelte. Sie sah schöner aus denn je. Siebeneisen verspürte den spitzen Stachel der Eifersucht.
    »Dafür, dass er mit uns gesprochen hat!«
    »Er hat was?«
    Lawn sah ihn verwundert an. »Du hast doch gehört, was er geflüstert hat! Das mit der dritten Bohle hinter der Türschwelle zum Hof?«
    »Wie bitte? Ich habe nichts gehört. Welche Türschwelle? Der hat doch nur in der Luft gezittert!« Siebeneisen starrte an die Stelle, an der die Entität vibriert hatte. Vielleicht vibriert hatte. Das Zwielicht des Morgens sickerte in den Raum. Er fühlte sich, als sei jede Bohne in seinem Abendessen ein Valium gewesen. Ich muss schlafen, dachte er, ich muss unbedingt schlafen. Dass Lawn neben ihm aus dem Bett stieg, bekam er schon nicht mehr mit.
    Und dann waren da diese Geräusche. Sie kamen von weit her und weckten die Wichtel in seinem Kopf, und die Wichtel begannen augenblicklich wie wild zu fegen, als ob sie einen unglaublichen Dreck zwischen den grauen Zellen bewältigen müssten und Nachtzuschläge noch steuerfrei wären. Siebeneisen erwachte mit schlimmsten Kopfschmerzen. Und der Gewissheit, auch bei diesem Anlauf nicht länger als zwei oder drei Stunden geschlafen zu haben, ganz bestimmt war das so, ansonsten würden sich die Wichtel in seinem Kopf nicht so verausgaben. Was war das für ein Lärm? Siebeneisen hörte wuchtige Hammerschläge, splitterndes Holz und zwischendurch ein schreckliches Stöhnen. Was machte diese Frau in aller Herrgottsfrühe da unten? Einen Sarg für ein Gespenst zimmern? Siebeneisen seufzte. Er stand auf, zog Jeans und T-Shirt an und ging die Treppe ins Erdgeschoss hinunter.
    Als er in der Nacht zuvor hier angekommen war, hatte er verständlicherweise kein wirkliches Interesse für das ehemalige Wohnhaus der jetzigen Entität O’Shady gezeigt, aber dass sich das historische Gebäude in einem fabelhaften Zustand befand, das war ihm dann doch aufgefallen. Das Haus in der Dauphine Street sah aus, als sei es für die Dreharbeiten für ein Südstaatenepos präpariert worden und warte nun auf die Filmcrew. Besser gesagt: Es hatte so ausgesehen. Jetzt erinnerte zumindest die Küche eher an jene Horrorfilmmomente, in denen etwas Großes, Böses aus dem Keller durch den Fußboden in das bislang beschauliche Leben einer Kleinstadtfamilie hineingebrochen war: Lawn hatte einen Großteil der Bodendielen mit Hammer und Stemmeisen herausgebrochen, und weil man im Jahre 1838 Neubauten in den USA noch nicht aus Pressspan-Fertigbauteilen zusammentackerte, sondern tatsächlich erbaute, war dazu der Einsatz kräftiger Werkzeuge nötig gewesen.
    »Unter der dritten war nichts«. Lawn sah Siebeneisen kurz an und setzte das Stemmeisen unter die nächste Diele.
    »Was um alles in der Welt machst du da?«
    »Ich suche nach dem Brief!«
    »Welcher Brief denn?«
    Lawn ließ ihr Stemmeisen fallen und wischte sich die Hände an ihrer Jeans ab. Sie trug ein Tanktop und ein Kopftuch über ihrer Mähne. Siebeneisen hätte sie auf der Stelle küssen können.
    »Du hast das tatsächlich nicht gehört! O’Shady hat gesagt, dass ich unter der dritten Bohle hinter der Türschwelle nachsehen

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