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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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Epaulettenflughund handele. Der gehöre nicht zur Familie der Fledermäuse, sondern zu den Pteropodidae.
    »Zu den was?«
    »Lateinisch für Flughunde. 40 Gattungen, etwa 200 bekannte Arten, ein großer Nachteil.«
    »Und der wäre?«
    »Fressen ausschließlich Früchte. Und haben deswegen unentwegt Durchfall.«
    Siebeneisen sprang auf und rückte mit seinem Klappstuhl vier Meter zur Seite. Sam kicherte. Der Epaulettenflughund war nun aufgewacht. Er fiepte leise. Siebeneisen imitierte das Geräusch, worauf der Flughund den Kopf auf die Seite legte und Siebeneisen betrachtete. Er hing kopfüber im Baum und hatte seine Lederflügelchen um den Leib geschlungen, als sei er soeben aus einem viel zu kalten See gestiegen und wickle sich nun in sein Badetuch. Du hast es gut, dachte Siebeneisen, kannst den ganzen Tag da oben abhängen. Er zwinkerte ihm zu und fiepte noch einmal hinauf. Der Flughund neigte den Kopf auf die andere Seite. Dann kackte er. Hinter dem Baobab ging die Sonne unter.
    Die afrikanische Dämmerung ist eine äußerst kurzweilige Angelegenheit, man kann sie komplett verpassen, wenn man schnell zur Toilette geht oder neue Eiswürfel holt oder auch nur für einen Moment die Augen schließt. Weil der Äquator nah ist, wird es ratzfatz dunkel, sobald sich die Sonne hinter den Horizont abgeseilt hat. Die Nacht hier fällt wie eine Guillotine auf das Land hinab. Und dann sind die Sterne da. Zigtausende Sterne, Millionen Sterne, mehr Sterne, als man sich vorstellen kann, wenn man sein Leben in New Orleans verbracht hat oder in einer kleinen Stadt im nördlichen Ruhrgebiet. Der Himmel über Afrika kann aussehen, als habe jemand ein Sieb über die Erde gestülpt. Eines mit ganz kleinen, winzigen Löchern, durch die ein Licht glitzert, das von weit her zu kommen scheint. Aus einem anderen Universum, aus einer Welt hinter unserer Welt.
    »Immerhin haben wir noch Kerzen!« Sam verteilte die drei Lampen mit den Teelichtern auf dem Tisch, zwischen den Schüsseln mit den Müsliriegeln, den Ginflaschen und den Mückensprays. Er rollte einen Zahnstocher zwischen den Lippen und betrachtete zufrieden sein Arrangement. Lawn saß bereits am Tisch, sie hielt ihr Buch über Sagoma – Afrikas Mittler zwischen den Dimensionen nah an eine der Lampen und versuchte, im schwindenden Licht zum Ende des Kapitels zu gelangen. Kenneth und Marcus waren im Auto und bastelten an den zerschmetterten Resten des Funkgerätes. Sie fluchten leise.
    Es war ihr zweiter Abend unter dem Affenbrotbaum. Als Sam auf der Fahrt hinaus in den Park bemerkt hatte, dass sein Funkgerät noch im Büro lag, hatte sie das überhaupt nicht beunruhigt – vorne im Auto gab es ja auch noch eines. Leider waren solche am Armaturenbrett befestigten Funkgeräte nicht dafür gemacht, einen Zusammenstoß mit einem umfallenden Baum zu überstehen, und das war’s dann mit der vielgerühmten Verbindung zur Außenwelt. Dass sie unmittelbar darauf auch noch gezwungen waren, mitten durch ein riesiges Wulumba-Gebüsch zu fahren, addierte sich zusammen mit dem Baumtreffer zu einer jener Ereignisfolgen, für die die Wahrscheinlichkeitsrechnung die Null vor dem Komma erfunden hat. Um Wulumba-Büsche sollte man tunlichst einen großen Bogen machen, das wissen selbst Elefanten. Kein anderes Gewächs auf dem Kontinent hat dickere und spitzere Dornen, und wenn man ihm keinen Einhalt gebietet, wuchert Wulumba wie Unkraut und erobert Flächen so groß wie Fußballplätze. Und sie waren hineingefahren, mit Vollgas, und weil sie das ungeschriebene Gesetz der Savanne ignoriert hatten und kein Geländewagen in diesem (und auch in jedem anderen) Teil der Welt mehr als nur einen Ersatzreifen mit sich führte, saßen sie nun fest. Seit gestern Abend. Mit vier platten Reifen. In denen noch immer die daumendicken Dornen des Wulumba-Busches steckten. Die Luft war längst draußen.
    Sie unterhielten sich schon seit einer Weile nicht mehr. Das hatten sie den ganzen Tag über getan, aber jetzt schwiegen alle am Tisch, wahrscheinlich, weil sie so die Geräusche um sie herum besser hören konnten. Im afrikanischen Busch gibt es bei Sonnenuntergang einen bestimmten Moment, an dem aus der friedlichen Stille im Garten Eden eine unglaubliche Kakofonie wird. Offensichtlich haben sämtliche Frösche und Zikaden einen eingebauten Lautstärkeregler, der in diesem bestimmten Moment automatisch bis zum Anschlag aufgedreht wird. Einen Moment später wollen dann auch alle anderen Bewohner mitmachen, dann keckern

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