Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)
die Affen, schnauben die Gnus und heulen die Eulen, und hin und wieder zerreißt eine Art Kreissäge die eh schon beträchtliche Geräuschkulisse. Das, wusste Siebeneisen seit gestern, war dann ein Löwe. Ein männlicher Löwe. Ein Löwe, der bei seinen Löwendamen nachfragt, ob sie schon was für sein Abendessen erwischt haben und er auf einen Happs vorbeikommen kann.
Er sah einem Käfer zu, der in Zickzacklinien über den Tisch flitzte. Siebeneisen war nicht unglücklich darüber, dass ihnen nur noch diese blöden Riegel übrig geblieben waren. Solche Snacks waren nachgerade ideal für ein Dinner im schlecht beleuchteten Busch, man konnte sie nämlich unmittelbar vor dem Verspeisen auspacken und essen, bevor Afrikas Insektenwelt sie entdeckte und für sich beanspruchte. Gestern Abend, als sie noch gut ausgestattet gewesen waren mit allen Köstlichkeiten, die ein Safari-Picknick bot, hatte man die getrockneten Antipasti-Tomaten nur sehr schwer von den großen Brummern unterscheiden können, die aus dem Nichts heraus angeflogen gekommen waren und sich auf den Teller mit den Tomaten gestürzt hatten. Ab einem gewissen Dämmerungsgrad war es auch nur noch mit sehr guten Augen möglich, Raupen und anderes Getier in einem Glas dunkelroten Weines auszumachen. Mit einem glasklaren, ordentlichen Gin konnte einem das nicht passieren, dachte Siebeneisen und schenkte sich zwei Fingerbreit ein. Sie hatten genügend Trinkwasser, und sie hatten genügend Gin, resümierte er, es hätte durchaus schlimmer kommen können. Er sah dem Käfer zu, der sein Tempo erhöht hatte und immer zornigere Zickzacklinien über den Tisch zog. Wahrscheinlich erboste ihn das Fehlen jeglicher Beute.
Siebeneisen konnte sich ein süffisantes Lächeln nicht verkneifen. Um Kenneth O’Shady aufzutreiben, hatte es tatsächlich nur eine einzige Jeepfahrt gebraucht, das war fast eine Art Premiere, dachte er. Viel komplizierter war es, aus einem Stück Afrika herauszukommen, das sich mit Einbruch der Dunkelheit in das Nachttierhaus eines Zoos verwandelte – mit ihnen als viel bestaunte Attraktion mittendrin. Auch heute würden sie während des Essens sehr aufmerksam sein müssen, man wusste nie, welches Geschöpf sich von Kerzenschein und Stimmengewirr angelockt fühlte. Und auch heute mussten sie nach dem Abendessen zurück in den Geländewagen steigen, weil der Landrover das Einzige war, was ihnen zumindest ein wenig Schutz bot. Er und Lawn würden sich aneinanderklammern, wie in der vergangenen Nacht, und während sie tief und fest schlief, würde er kein Auge zumachen. Und hoffen, dass sie allmählich jemand abholen käme.
Nach ihrer Ankunft mit »Safari Air« waren Siebeneisen und Lawn sogleich zum Nationalpark aufgebrochen. Wipperfürth hatte bei der Buchung des Mietwagens offenbar ein very special offer aufgespürt: Sie bekamen einen Autotyp ausgehändigt, der in Deutschland in den frühen Achtzigern gerne tiefergelegt und mit Rallyestreifen verziert wurde, bloß der Fuchsschwanz an der Antenne fehlte. Als die Ranger am Parkeingang sie in dem Auto sahen, beschworen sie die beiden, besser mit einem Landrover der Parkverwaltung hinaus zu Kenneth O’Shady zu fahren. Und auch bitte mit einem Ranger am Steuer, Sam stand auf dem Dienstplan, der sollte das machen. Sie erfuhren, dass Kenneth O’Shady zusammen mit einem IT -Spezialisten zu Fuß in der nördlichen Sektion des Parks unterwegs war, um Nashörner zu markieren. Da die beiden sowieso vor Einbruch der Dunkelheit abgeholt werden mussten, konnte Sam das genauso gut mit Lawn und Siebeneisen zusammen erledigen.
Und so saßen sie eine Viertelstunde nach ihrer Ankunft in einem uralten Landrover. Wie allen uralten Landrovern in Südafrika hatte man auch diesem das Dach abgesägt. Es gab auch keine Türen und deswegen keine Fenster, Südafrikaner präferieren einen möglichst barrierefreien Kontakt mit der reichhaltigen Tier- und Pflanzenwelt ihrer Heimat. Auf der weichen Sandpiste blieb der Wagen beinahe von selbst in der Spur; Sam steuerte ihn mit zwei Fingern einer Hand, kaute auf einem Zahnstocher herum und wies sie immer wieder auf Tiere hin, die er lange vor ihnen zwischen den Büschen und Bäumen der Savanne entdeckte. Als ob die halbe Arche Noah auf dem Weg zur Anlegestelle wäre, dachte Siebeneisen, als sie eine Herde Zebras vor und hinter sich passieren ließen. Zu Hause konnte man ja stundenlang durch die Wälder wandern, bevor man ein mickriges Karnickel in 80 Meter Entfernung die Flucht
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