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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nink
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ihren Reihen wieder zu schließen. Fasziniert sah Siebeneisen, wie die fortgepusteten Ameisen sich aufrappelten und sammelten, mittlerweile waren es bestimmt schon mehrere Hundert. Eine Chefameise schien nun zu dem Schluss gekommen zu sein, dass sie genug waren, um die Störung zu rächen, jedenfalls krabbelten nun alle hintereinander auf das Nashorn zu. Es dauerte lediglich zwei oder drei Minuten, bis der Kopf des massigen Tieres von Insekten nur so wimmelte. Besonders viele folgten dem Lauf der getrockneten Tränenflüssigkeit unterhalb der obsidianfarbenen Augen.
    »Geht da weg!« Siebeneisen wischte die Ameisen vom linken Auge des schlafen …
    Ein Zittern lief durch den Berg aus Fleischmasse, Lederrunzeln und Panzerplatten, ein Zittern wie ein Erdbeben. Siebeneisen zog sofort die Hand zurück und sprang auf, und er sah das bleiche Gesicht von O’Shady und wie Sam weiter hinten vor Schreck die Augen aufriss, und der farbige Ranger zog Lawn von dem Tier weg in Richtung Auto, und unmittelbar vor seinem Kopf durchschnitt etwas die Luft und schnellte nach oben, und es grunzte und stampfte und staubte ganz doll, und dann war es wach, das Nashorn, und wie es wach war.
    »Ins Auto!« Sam saß schon am Steuer, der Motor heulte auf, die anderen sprangen durch die fehlenden Türen auf die Sitze, aber zwischen Siebeneisen und dem Auto standen vier Tonnen archaische Wut. Das Nashorn war böse. Das Nashorn war sehr böse. Es schnaubte und schüttelte den Kopf, als wollte es den letzten Rest Betäubungsmüdigkeit loswerden. Dann senkte es seinen Panzerschädel und riss ihn anschließend blitzschnell und ansatzlos nach oben, und wenn es das alles nicht zweieinhalb Meter links von Siebeneisen gemacht hätte, wäre er aufs Horn genommen worden wie der dümmste Torero beim kürzesten Duell in der Geschichte des Stierkampfs. Zum Glück aber war das Nashorn so kurzsichtig wie alle Nashörner. Es hackte nun zwar immer neue Löcher in die Luft, hatte aber offensichtlich nur eine vage Ahnung davon, wo sein Opfer stand. Siebeneisen sprang panisch hin und her und versuchte, um das Rhinozeros herum zum Auto zu kommen, was ihm wegen der Büsche und Bäume aber nicht gelang. Später, wenn er von seiner Begegnung mit dieser gepanzerten Kampfmaschine erzählen sollte, würde ihm auffallen, wie viele absolut unwichtige Details sich irgendein aufmerksamer Teil seines Bewusstseins aus diesen Minuten eingeprägt hatte: die Wolke, die genau in diesen Sekunden vor die Sonne zog. Der kleine Vogel, der auf seinem Gegenüber gelandet war und damit begonnen hatte, die Ameisen zu picken. Wie sich Lawns Finger in die Lehne des Autositzes krallten. Wie der Motor in Intervallen aufheulte. Wie sich plötzlich eine schmale Gasse zwischen dem rasenden Nashorn und den Bäumen auftat.
    Siebeneisen sprintete zum Auto, in dem die anderen winkten und schrien und die Hände nach ihm ausstreckten. Sam spielte hektisch mit dem Standgas und beobachtete im Rückspiegel, wie die anderen Siebeneisen ins Auto zogen und das Nashorn wutentbrannt gegen einen Baum krachte, der etwa sieben Meter neben seinem Zielobjekt stand. Der Baum knirschte, ächzte – und kippte zur Seite. Sam schrie auf und ließ die Kupplung los, und der Landrover machte einen Satz nach vorne, und dann fiel ein dunkler Schatten auf sie herab, und es krachte fürchterlich, und überall waren Äste und Blätter, und vorne am Armaturenbrett flogen Plastikteile wie Projektile durch die Luft.
    »Alle o. k.??« Sam sah nach hinten, wo das Nashorn am Stumpf des Baumes schnupperte und wohl soeben feststellte, dass es einen Unschuldigen aus den Angeln gehoben hatte. Auf dem Beifahrersitz wuchtete Kenneth O’Shady den Stamm in die Höhe und aus dem Auto, und zwei Sitzreihen hinter ihm kam Siebeneisen warum auch immer der Gedanke, was wohl mit seinem Auftrag passiert wäre, wenn sich der Ire eine Nanosekunde vor dem Aufprall nicht instinktiv Richtung Fahrersitz geworfen hätte.
    »Festhalten!« Sam ließ die Kupplung fliegen. Der Landrover bockte kurz und schoss erneut nach vorne, und dieses Mal fiel kein Baum auf sie. Sie rumpelten durch das Gras, aber als sie sich umdrehten, sahen sie, dass das Nashorn beängstigend flott hinter ihnen hertrampelte.
    »Kopf einziehen!«, schrie Sam. Und trat aufs Gas.
    Safarifahrten in einem offenen Geländewagen ohne Dach, Fenster und Türen haben schon bei normalem Bummeltempo ihren ganz eigenen Charme. Man muss sich vor Ästen ducken, bekommt Brummkäfer gegen die

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