Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)
nah, der Mensch fühlt sich winzig klein und dennoch seltsam aufgehoben – zumindest dann, wenn er einen Zaun um sich herum weiß oder noch besser eine Mauer. Die Luxus-Hotellerie hat auf das Bedürfnis nach Naturnähe reagiert und bietet mittlerweile sogenannte »Tent Camps« an, in denen Gäste für viele hundert Dollar pro Nacht in pompös ausgestatteten Zelten übernachten können und dort meistens keine Minute ruhig schlafen. Eine Nacht in einem Landrover ohne Dach, Fenster und Türen, der mit vier platten Reifen mitten im größten und tierreichsten Nationalpark des Kontinents steht, ist dann aber noch einmal eine andere Hausnummer. Man könnte es auch so formulieren: Man muss schon eine gründliche Kenntnis vom Verhalten nachtaktiver Fleischfresser haben, um vor Angst nicht durchzudrehen.
Siebeneisen konnte nicht schlafen. Natürlich konnte er das nicht. Weil er unter seiner Decke fror. Weil die Bank des Landrovers kaum gepolstert war. Und viel zu schmal für ihn und Lawn, auch, wenn sie eng umschlungen nebeneinanderlagen wie jetzt. Vor allem aber konnte er nicht schlafen, weil er schreckliche Angst hatte. Überall in den Gräsern um sie herum knackte, zischte und grumpelte es, und in der Luft war ein ständiges Summen und Sirren. Und jetzt klackerte auch noch irgendetwas in einem Busch gleich hinter ihnen.
»Was war das?« Siebeneisen fühlte, wie er vor Angst starr wurde.
»Hm?«
»Das Klackern. Gerade eben.«
»Mhmhabschongeschlafenmh …« Lawn seufzte und legte ihren rechten Arm etwas höher auf Siebeneisens Brust. Ihr Atmen wurde sofort wieder langsamer. Und der Arm schwerer.
»Ganz nah! Direkt hinter uns!«
»Mhm …«
Sie schläft einfach, dachte Siebeneisen, sie schläft, wie kann sie nur schlafen? Wir können jeden Moment aufgefressen werden, und diese Frau schläft, es war nicht zu fassen. Er lauschte. Es klackerte. Aus dem Busch. Unmittelbar hinter ihnen. Er nahm Lawns Arm von seiner Brust und richtete sich auf, ganz vorsichtig und langsam. Ein paar Schritte entfernt hielt Marcus Wache auf einem großen Stein, seine Zigarette brannte ein kleines, rotes Loch in die Nacht. Es klackerte. Klapperte. Eine Klapperschlange, dachte Siebeneisen, der sehr genau wusste, dass es in Afrika keine Klapperschlangen gab, was ihn allerdings nicht beruhigte, weil das Geräusch schon wieder da war. Marcus hatte es jetzt auch gehört. Er drehte sich um und ging mit der Zigarette im Mund zu dem Busch mit dem Klackernklappern, und dann machte er »Ksch!Ksch!«, und aus dem Busch tauchte ein großes, dickes Stachelschwein auf, dessen Stacheln vor Aufregung in die Höhe standen. Behäbig watschelte es über die Lichtung davon. Seine langen Stacheln schlugen bei jedem Schritt aneinander.
Marcus winkte Siebeneisen zu. Lawn neben ihm atmete noch immer tief und gleichmäßig. Siebeneisen lehnte sich wieder zurück. Er hatte Angst. Noch immer. Er wartete auf das nächste, etwas anders klingende Klackern. Oder auf sonst ein Geräusch. Er wartete und lauschte. Und irgendwann senkte sich die Müdigkeit über ihn wie die Dunkelheit zuvor über Afrika. Er hörte noch, wie die Frösche an den Rändern der Nacht sägten, und die Luft war trunken von dem süßen Duft der Savannengräser. Dann war er eingeschlafen. Über ihm, in den Zweigen des Baobab, die wie Wurzeln aussahen, streckte sich der Epaulettenflughund. Er schüttelte seine kleinen Lederflügelchen aus. Dann flog er hinaus in die Dunkelheit.
31
»Was haben Sie denn gestern eigentlich mit dem Nashorn gemacht, als wir Sie getroffen haben?« Siebeneisen hatte sich einen Teller mit Antipasti zusammengestellt und zu Marcus gesetzt. Die Nacht war ohne weitere Zwischenfälle vorübergegangen. Jetzt gab es ein Frühstück, das zwar merkwürdig zusammengewürfelt schien, aber selbst höchsten Ansprüchen genügte: Sam sollte am kommenden Tag Gäste einer Luxuslodge durch den Park chauffieren und hatte den Landrover bereits dementsprechend gepackt. Marcus löffelte Kaviar. Kenneth hockte mit dem Fernglas auf der Kühlerhaube des Autos, knabberte Cracker mit französischem Käse und plante möglicherweise sein zukünftiges Leben als Millionär. Lawn trank Champagner.
»Wir haben es markiert. Einen Mikrochip ins Horn gesetzt. Einen kleinen Sender.«
»Einen Sender? Ins Nashornhorn?«
»Genau. Wir bohren es auf, setzen den Chip ein und schmieren Silikon obendrüber. Ist kaum zu sehen. Und erst recht nicht zu spüren.«
»Und das machen Sie, damit Sie immer genau wissen,
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