Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)
wo das kleine Nashorn gerade seinen nächsten cholerischen Anfall hat und einen Mietwagen mit Touristen hetzt?«
»Das machen wir, damit wir immer genau wissen, wo das Horn ist. Das Nashorn zum Horn hängt da nicht unbedingt zwangsläufig mit dran.«
»Was?«
»Wir haben hier ein ziemliches Problem mit Wilderern. Das Tier ist denen völlig egal. Die erschießen es, brechen das Horn aus dem Schädel und sind verschwunden, bevor wir überhaupt wissen, dass sie da waren.«
Siebeneisen erinnerte sich an eine National-Geographic -Reportage, in der es darum ging, dass asiatische Geschäftsleute viel Geld für gemahlenes Rhinozeroshorn zahlten. Sehr viel Geld. So viel Geld, wie man zu zahlen bereit ist, wenn man viel Geld hat. Plus keinerlei Skrupel. Plus ein Potenzproblem.
»Hundert Gramm gemahlenes Nashorn kosten auf dem Schwarzmarkt 5 000 Euro«, sagte Marcus.
»Na ja, das ist für einen impotenten chinesischen Parteibonzen doch ein guter Deal.« Lawn hatte ihnen zugehört. Offenbar kannte sie sich mit dem Thema aus.
»Denkt man. Wenn das Zeug wirken würde. Tut es aber nicht. Nashornhorn ist reines Keratin. Der Stoff, aus dem Fingernägel sind. Absolut wirkungslos. Und eigentlich vollkommen wertlos.«
»Kann man diese Wilderer denn nicht aufhalten? Finden, bevor sie die Tiere abschlachten können?«
»Wir sind völlig unterbesetzt. Und das sind mittlerweile schwer bewaffnete Banden. Söldner aus Uganda oder Ruanda. Gegen die haben wir nur eine Chance, wenn wir sie auf frischer Tat ertappen. Und genügend Ranger dabei sind. Anfangs dachten wir, die GPS -Sender würden sie abschrecken.«
»Und? Hat das nicht funktioniert?« Siebeneisen fiel eine von fünf belgischen Pralinen aus der Hand, die er gerade aus ihrer schmalen Schachtel herausgefischt hatte.
»Ich glaube nicht, dass die davon überhaupt schon etwas mitbekommen haben. Diese Leute sind nachts unterwegs. Sie fahren im Schutz der Dunkelheit in den Park, jagen im Dunkeln, sägen im Dunkeln die Hörner ab. Das alles muss schnell gehen, da wird die Ware nicht untersucht, so einen integrierten kleinen Sender übersieht man dabei. Ehe es hell ist, haben sie die Hörner außerhalb des Parks schon an Mittelleute übergeben.«
Siebeneisen bückte sich, um die Praline aufzuheben. Mindestens zwanzig Ameisen saßen auf ihr. Er trat sie in den Boden und wandte sich wieder Marcus zu.
»Solange sich der Sender innerhalb der Nationalparkgrenzen bewegt, können wir nur an der Geschwindigkeit seiner Bewegung erkennen, dass etwas nicht stimmt. Wenn das Signal aber von der Straße hinaus nach Mosambik kommt, befindet es sich bereits außerhalb unserer Zugriffsmöglichkeiten. Dann müssen wir die südafrikanische Polizei alarmieren, und die dann die Kollegen in Mosambik, und bevor das ganze bei der Hafenbehörde von Mobutu gelandet ist, schippert unser Horn längst auf dem Indischen Ozean Richtung Hongkong.«
»Wie viele Nashörner im Park haben denn so einen Chip im Horn?«
»Ziemlich genau vierhundert.«
»Macht ziemlich genau vierhundert Punkte auf dem Überwachungsmonitor.«
»Genau. Wenn wir den einschalten, schaut das aus, als habe jemand Konfetti über den Park geworfen.«
Und so verging der Tag unter dem Baobab: Kenneth und Marcus erzählten von ihrer Arbeit, Sam hielt die Umgebung im Auge, Lawn las in ihrem Buch, und alle zusammen warteten sie auf jemanden, der nicht mehr länger hatte warten wollen und aufgebrochen war, um sie zu suchen – leider offensichtlich in der falschen Ecke eines Parks, der etwa so groß wie Belgien war. Ansonsten passierte an diesem Tag unter dem Baobab nicht viel. Bis um drei Uhr nachmittags. Da kamen die Löwen.
Sam hatte die Tiere als Erster entdeckt. Er zeigte auf einen Punkt irgendwo weit weg von ihnen, an dem Siebeneisen nichts anderes entdecken konnte als … einen Punkt eben.
»Kommen direkt auf uns zu.«
Drei oder vier Minuten später hatte sich der Punkt in der Ferne in mehrere kleine Punkte aufgeteilt, die sich tatsächlich auf sie zubewegten.
»Sie haben uns gesehen«, sagte Sam. »Ist ein ziemlich großes Rudel. Wir steigen mal besser alle ins Auto. Die nehmen das Fahrzeug mit uns drinnen nur als großes Etwas wahr, das nach Diesel und Öl stinkt. Im Auto kann uns nichts passieren.«
Es waren sieben Weibchen und ein männlicher Löwe mit einer imposanten Mähne. Alle fanden mit traumwandlerischer Sicherheit die einzige schmale Lücke im Wulumbaschutzwall, der das Auto umgab (Kenneth nannte sie die
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