Donnerstags im Park - Roman
X.
»Stell dir vor, wie schön es an einem warmen Tag wie heute auf dem Land ist«, schwärmte George und fächelte sich mit einem Stapel Ausdrucken Luft zu.
»So warm ist es Anfang Mai nur alle Jubeljahre. Deswegen lohnt es sich kaum, nach Dorset zu ziehen.«
»Somerset … Das Haus liegt an der Grenze zwischen Somerset und Devon. Ich hol dir was zu trinken; du siehst erschöpft aus. Ich habe Eistee gemacht.«
Jeanie nickte.
»Setz dich auf die Terrasse, altes Mädchen, ich bring ihn raus.«
Seine Fürsorge schmerzte Jeanie. Seit der Nacht nach dem Fest behandelte er sie wie ein rohes Ei.
»Ich habe Minze reingegeben. Wie geht’s Ellie?«
»Gut … Sie ist zum Anbeißen wie immer.« Als sie ihm von dem Jungen und dem Eimerchen erzählte, mussten sie beide lachen.
So wird es ewig sein, dachte sie, als sie einen Schluck von dem Tee nahm, nur wir.
»Jeanie.« George machte ein ernstes Gesicht. »Der Umzug … Du bist jetzt doch damit einverstanden, oder?«
Jeanie zuckte mit den Achseln.
»Das wäre eine Chance für uns … Wir könnten ein neues Leben beginnen.«
»Ich bin zufrieden mit dem jetzigen, George.«
George wirkte erleichtert. »Gut, dass du das so siehst. Aber stell dir vor, wie viel schöner es wäre, hier zu leben.« Er deutete auf das Foto.
»Du hast das Haus doch noch gar nicht besichtigt: Wahrscheinlich steht es direkt an einer Klippe.«
»Wenn nicht dieses, dann eben ein anderes.«
Jeanie wäre gern so begeistert gewesen wie er und wollte ihm auch nicht den Spaß verderben, aber …
»Ich schau es mir am Samstag an. Kommst du mit?«
»Samstags ist im Laden immer am meisten los.«
George machte ein trauriges Gesicht. »Und am Sonntag?«
»Okay … Ich glaube, ich geh jetzt rauf und lasse mir ein kühles Bad ein.« Die Sonne verschwand allmählich am Horizont, und die Hitze wurde erträglicher. Als Jeanie den fast flehenden Blick ihres Mannes sah, hatte sie das Gefühl, dass es nichts, jedenfalls nichts Ehrliches, gab, mit dem sie ihn hätte aufmuntern können.
Am folgenden Morgen war sie früh im Laden, weil sie sich mit Tony, ihrem Steuerberater, in der Stadt treffen wollte und zu diesem Zweck Unterlagen abholen musste. Als sie die Papiere in ihre Aktentasche steckte, hob sie zufällig den Blick und erstarrte vor Schreck. Ray drückte sich die Nase am Schaufenster platt.
»Gütiger Himmel, hast du mich erschreckt«, stöhnte sie, als sie die Tür öffnete.
Ray lachte. »Immerhin lebst du noch.«
Kurzes Schweigen. »Jeanie?«
»Ich hab einen Termin. Ich bin spät dran.«
»Was ist los?«
»Ich kann mich nicht mehr mit dir treffen«, erklärte Jeanie, unfähig, ihm in die Augen zu sehen.
»Okay … Verrätst du mir, warum?«
Er beobachtete mit verschränkten Armen, wie sie die Papiere ordnete, die auf der Theke lagen.
»Ich hab dir doch gesagt, dass ich spät dran bin«, antwortete sie. »Ich muss los.«
Ray öffnete schweigend die Tür für sie. Sie suchte nach ihren Schlüsseln, konnte sie weder in ihrer Kostümjacke noch in ihrer riesigen Handtasche finden, knallte die Aktentasche wieder auf die Theke und schaute in alle Ecken. Keine Schlüssel.
»Scheiße!« Sie wandte sich mit zitternden Fingern erneut ihrer Handtasche zu.
»Sind sie das?« Ray hielt ihr die Schlüssel hin.
Jeanie sah ihn wortlos an. Ihr Herz klopfte wie wild.
Ray rührte sich nicht von der Stelle. »Sie waren auf dem Regal.«
Als sie sie nicht nahm, legte er sie auf ihre Aktentasche.
»Ich gehe wohl lieber«, sagte er.
Jeanie hörte ihre eigene kleinlaute Stimme: »Ray … Ich muss jetzt wirklich los, sonst komme ich zu spät zum Steuerberater.«
Ray nickte. »Das glaube ich dir.«
»Treffen wir uns später in der Stadt? Nicht hier in der Nähe?«
»Bist du mir nicht böse?« Sie aßen in einem japanischen Café Ecke Lisle Street Misosuppe. Obwohl es zur Mittagszeit nur so von Gästen wimmelte, war es ihnen gelungen, ein Plätzchen in der Ecke mit den Kleiderhaken zu ergattern. Ray dachte lange über das nach, was sie ihm berichtet hatte.
»Glaubst du wirklich, er hat sich das ausgedacht?«
Jeanie sah ihn mit großen Augen an. »Es ist nicht passiert, also muss er es sich ausgedacht haben.«
»Das wäre ziemlich gemein. Wahrscheinlich hat er Ellie vor sich hin plappern hören – Kinder in dem Alter machen das – und es falsch verstanden.«
»Chanty meint das auch, aber ich glaube es nicht. Du hast ihn nicht gesehen. Er konnte mir nicht in die Augen schauen.«
»Mit seinen
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