Doppelkinnbonus: Gesamtausgabe (German Edition)
nicht mit seiner Begeisterung für Romy Reloaded?
„Du siehst übrigens auch sehr gut aus“, sage ich nach einem Moment des Schweigens.
Du siehst auch sehr gut aus? Wie komme ich darauf, ihm das unter die Nase zu reiben? Und warum erst jetzt? Wenn man es versäumt, diese Feststellung direkt nach dem obligatorischen Begrüßungs-„Gut-siehst-du-aus“ zu äußern, ist der Zug doch eindeutig abgefahren. Danach ist es keine Höflichkeitsfloskel mehr, sondern schlicht und einfach die Wahrheit. Und die sollte man, gerade beim ersten Date, besser für sich behalten. Schließlich gibt es nichts Schlimmeres als einen Mann, der sich seiner Sache zu sicher ist.
„Danke“, sagt er.
Schlicht und einfach Danke .
Das Wissen in seinen Augen, derselbe Blick wie der aus dem Supermarkt, der mich während meiner Bootsfahrt in den Ehehafen noch wütend gemacht hatte, hat nun nichts Schmieriges mehr an sich.
„Hallo, Herr Renzel.“ Die Frau in der olivgrünen Weste begrüßt ihn mit gespitztem Bleistift. „Darf ich wie immer die Nummer 43 für Sie notieren?“
Helge lacht. „Die Nummer 43, vorweg die 7 und für den Anfang ein stilles Wasser.“
Sie wendet sich mir zu. „Haben Sie sich auch schon entschieden?“
Erst jetzt wird mir klar, dass ich noch keinen einzigen Blick in die Karte geworfen habe.
„Oh“, Ich öffne die Karte. „Ich muss gestehen, dass ich noch gar nicht nachgeschaut habe.“
„Das ist meine Schuld“, erklärt Helge. „Ich habe sie abgelenkt.“
Die Bedienung nickt mit stummem Lächeln.
„Vielleicht probiere ich einfach auch das Saiblingsfilet. Und die Tomatensuppe, bitte.“
„Gute Entscheidung.“ Helge lächelt mir zu, während die Kellnerin die Bestellung notiert und unseren Tisch verlässt.
Der ganze Abend scheint aus einem einzigen Lächeln zu bestehen. Nicht nur auf seinen Lippen, auch auf meinen. Der vorgeschobene Grund, aus dem wir uns getroffen haben, ist so weit in den Hintergrund gerückt, dass sich keiner von uns die Mühe macht, nach ihm zu suchen.
Wir lächeln nur.
Und wir reden.
Und wir lächeln, wenn wir reden – während uns beiden noch vor der Vorspeise klar wird, worauf das Lächeln hinauslaufen wird.
*
Die Sportstunde, in der meine Turnhose beim Bocksprung riss und meine gelbe Unterhose zum Vorschein kam. Die Verabredung mit Kai in der Eisdiele, bei der mich anstelle von ihm meine lachenden Mitschülerinnen erwarteten, die den Einladungsbrief von ihm gefälscht hatten. Oder die Bootsfahrt mit dem angehenden Zahnarzt, bei der ich so ungeschickt nach dem Ruder gegriffen hatte, dass ich ins Wasser gefallen war.
So sehr ich mich auch bemühe, die Details meiner ereignisreichen Schulzeit, Jugend und Singlelaufbahn immer und immer wieder abzuklopfen, es will mir beim besten Willen nichts einfallen, das auch nur ansatzweise so peinlich ist wie der Moment, den ich soeben mit einem lauten Türknall hinter mir gelassen habe.
Während die Lichter der Stadt wie Blitze in dunkler Nacht an meiner Autoscheibe vorbeiziehen, rufe ich mir erneut die Szene in Helges Dachgeschossschlafzimmer in Erinnerung.
Wir hatten wortlos und doch einstimmig beschlossen, dem Dauerlächeln des Abends endlich ein Fundament zu geben. Vom Restaurant bis zu seiner Wohnung waren es nur zehn Minuten. In weniger als fünf Minuten hatten wir es vom Erdgeschoss seiner Wohnung über die Wendetreppe bis in sein Schlafzimmer geschafft. Fünf Minuten, in denen bis auf meine Unterwäsche und sein Hemd nichts übriggeblieben war. Die Tatsache, dass man ihn in dem Restaurant kannte und dies möglicherweise bedeutete, dass er sich dort hin und wieder auch mit anderen Frauen traf, machte mir erstaunlich wenig aus. Ebenso wenig wie die Ahnung, dass er mir die Komplimente zu meinem Aussehen nur gemacht hatte, um mich ins Bett zu kriegen.
Denn auch wenn es mir erst in diesem Moment wirklich bewusst wurde: Genau da wollte ich hin. In sein Bett. So schnell wie möglich. Um so lang wie möglich zu bleiben.
Und ich war wirklich gut in meiner Rolle als skrupellose Sexbesessene. Finde ich. Helge machte jedenfalls nicht den Eindruck, auch nur eine Sekunde länger darauf warten zu können, mich mit Haut und Haaren zu verschlingen. Und auch ich gab mir keine Mühe, mein Verlangen zurückzuhalten, als ich ihm das Hemd vom Körper gerissen hatte. Es war mir sogar gelungen, den Grund für meine fieberhafte Suche nach Ablenkung auszublenden. Bis zu dem Moment, als wir uns auf das riesige Futonbett fallen ließen
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