Doppelspiel
fuhren mit dem Aufzug zu Shaws Zimmer. Dort angekommen schloss er die Tür hinter ihnen ab, warf die Schlüssel auf den Tisch und winkte Reggie, sich auf einen Stuhl zu setzen, während er sich auf die Bettkante hockte.
»Diese verdammten Absätze.« Reggie zog die Schuhe aus und rieb sich die wunden Füße. »Und was jetzt?«
»Jetzt reden wir übers Überleben.«
»Über deins oder meins?«
»Sowohl als auch, wenn wir Glück haben.«
»Vielleicht liegt es ja nur an mir, aber dein Boss schien nicht gerade erpicht darauf zu sein, mit uns zusammenzuarbeiten. Er sah eher aus, als wolle er uns verhaften.«
»Hätte er denn recht damit?«
Reggie versteifte sich ein wenig. »Ich werde ihm nicht das Denken abnehmen.«
Shaw öffnete den Zimmersafe, holte eine Akte heraus und blätterte sie durch. »Fedir Kuchin. Ich habe ein wenig über ihn nachgelesen.«
»Die Mühe hättest du dir sparen können. Wir haben jede Menge zu ihm.«
»Die meisten glauben, er sei tot – Jahre vor dem Mauerfall bei einem Aufstand in der Ukraine getötet.«
»Das war alles Teil seiner sorgfältig geplanten Flucht. Das hat eine Reihe von denen so gemacht.«
Shaw schaute sie über die Akte hinweg an. »Eine Reihe von denen? Interessante Wortwahl. Was genau machen du und deine Waffenbrüder in Harrowsfield eigentlich?«
»Etwas, das ich dir nicht erzählen kann. Nie.«
»Irgendjemandem wirst du es erzählen müssen .«
»Warum? Hast du deinem Boss schon von Harrowsfield erzählt?«
»Ich habe ihm gar nichts über irgendwas erzählt. Ich will damit nur sagen, dass ihr vielleicht einen Freund gebrauchen könntet.«
»Und du bist dieser Freund, ja?«, schnaubte Reggie.
»Das habe ich nicht gesagt. Ich weiß noch nicht genug über euch, um sagen zu können, ob ich euer Freund sein will oder nicht.«
»Heißt das, du könntest dich auch gegen uns stellen?«
»Sprich einfach mit mir.«
Reggie stand auf und lief auf dem weichen Teppich auf und ab, um die Krämpfe aus ihren Zehen zu bekommen. »So einfach ist das nicht. Tatsächlich ist nichts so einfach, Shaw.«
»Es ist nur so schwer, wie du es machst.«
»Oh, jetzt komm aber. Das ist eine bescheuerte Logik, und das weißt du auch.«
»Vielleicht, aber mir fällt es wirklich schwer, die richtigen Worte zu finden, um dich davon zu überzeugen, dass du mir vertrauen kannst. Dabei dachte ich, ich hätte mir dieses Vertrauen in Gordes schon verdient.«
»Das war damals, und jetzt ist jetzt«, richtete Reggie Shaws eigene Worte gegen ihn.
»Offenbar bedeutet es heutzutage nichts mehr, wenn man sein Leben für jemanden riskiert.«
Reggie blieb wieder stehen und setzte sich neben Shaw aufs Bett. Sie schaute zu Boden und seufzte. »Nein, das bedeutet sogar sehr viel.«
»Wo liegt dann das Problem? Ich weiß, dass Kuchin ein Bösewicht ist.«
»Aber du weißt auch, was wir mit ihm tun wollten.«
»Das war ziemlich offensichtlich.«
»Ich nehme an, du spielst nach anderen Regeln.«
»Nicht unbedingt. Wenn es heißt sie oder ich, dann tue ich, was getan werden muss.«
»Das ist eine grundlegend andere Philosophie.«
»Wie schon gesagt: Ich bin nicht befugt, jemanden zu verhaften.«
»Ja, sicher.« Reggie stand wieder auf, ging zum Fenster und öffnete die Vorhänge.
»Die schönste Aussicht auf London«, sagte Shaw und gesellte sich zu ihr.
Dankbar für den kurzfristigen Themenwechsel deutete Reggie zu einem hell erleuchteten Gebilde in der Ferne und fragte: »Warst du schon mal in The Eye ?«
Es sah wie ein mit Wachstumshormonen behandeltes Riesenrad aus.
»Einmal, aber nur weil ein Typ, den ich verfolgt habe, unbedingt damit fahren wollte.«
Reggie deutete auf ein weiteres Bauwerk. »Hast du gewusst, dass Claude Monet mal ein Bild der Waterloo Bridge gemalt hat, und zwar von einem Balkon des Savoy aus? Und dass Fred Astaire auf dem Dach des Hotels getanzt hat?«
»Nein, das habe ich nicht gewusst.«
Reggie schloss die Vorhänge wieder und drehte sich zu Shaw um. »Aber die seltsamste Geschichte, die ich über das Savoy gehört habe, hat mit einem Kater namens Kasper zu tun.«
»Mit einem Kater namens Kasper?«
»Ja. Er ist der älteste Gast hier. Wann immer eine Dinnerparty mit dreizehn Gästen im Savoy stattfindet, kommt Kasper raus und setzt sich auf den vierzehnten Stuhl.«
»Wegen des Aberglaubens, dass der erste Gast, der sich bei einer Party von dreizehn erhebt, stirbt?«
»Ja, genau. Ich glaube, Agatha Christie hat sogar mal einen Roman darüber
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