Doppelspiel
getroffen habe, ist Rice herumgewirbelt und hat mich gesehen. Eine Sekunde später habe ich den zweiten Typ getroffen, den kleineren. In dem Moment hätte Rice mich erledigen können. Er war nur fünf Fuß entfernt und hatte freie Schussbahn. Stattdessen hat er sich jedoch umgedreht und auf seinen Boss geschossen.«
»Aber er hat Dominic getroffen.«
»Vermutlich hat er Dominic getroffen, weil er ein miserabler Schütze ist. Es ist wesentlich schwerer, jemanden auf zwanzig Fuß Entfernung zu treffen, wie es aussieht. Doch die Kugel hat Kuchins Hirn nur um Haaresbreite verfehlt. Also hat er nicht versucht, mich zu erledigen, als er die Gelegenheit dazu hatte, und stattdessen auf seinen Boss geschossen.«
»Aber das ergibt keinen Sinn. Warum sollte er versuchen, Kuchin umzubringen? Er war da, um ihn zu retten.«
»Oder er wollte nur, dass es so aussieht.«
»Wenn Kuchin tot ist, wäre das doch egal.«
»Denk doch mal nach. Kuchins Männer hätten noch gelebt. Vielleicht hätten die es nicht so gerne gesehen, wenn der zweite Mann im Staat ihren Boss so öffentlich ausknipst. Es musste nach einem Unfall aussehen. Und außerdem, was, wenn Kuchin die Schießerei irgendwie überlebt hätte?«
»Glaubst du, er wusste, dass du da warst und versuchen würdest, Kuchin davon abzuhalten, uns zu töten?«
»Das wage ich stark zu bezweifeln. Er könnte tatsächlich mit dem Vorsatz in die Krypta gegangen sein, seinen Boss zu retten. Vielleicht hat er dich eines Nachts aus der Kirche kommen sehen und ist euch so auf die Schliche gekommen. Dann ist er in der Krypta, sieht mich aus meinem Versteck springen, und in nur wenigen Sekunden ändert er seinen Plan. In all dem Chaos, das mein Erscheinen gestiftet hat, feuert er seine Waffe ab, und in dem ganzen Getümmel liegt Kuchin plötzlich tot am Boden. Dann erbt er das Geschäft.«
»Ich nehme an, das ist möglich.«
»So. Themenwechsel … Ihr habt Kuchin ja schon einmal gefunden. Wie?«
»Dieses Gebäude ist voll mit Leuten, die nichts anderes tun als das. Alle möglichen Wissenschaftler, vom Linguisten bis zum Historiker.«
»Nein, nein, ich meinte nicht, wie ihr herausgefunden habt, dass Evan Waller in Wirklichkeit Fedir Kuchin ist. Ich meine, wie habt ihr gewusst, dass er nach Gordes fahren wird und wann?«
»Unsere Leute haben diese Einzelheiten herausgefunden und sie für die Mission an uns weitergegeben. So operieren wir. Wie genau sie diese Informationen bekommen haben, weiß ich aber nicht. Von einem Insider vielleicht?«
»Ich will dich mal Folgendes fragen: Könnte Alan Rice dieser Insider sein?«
»Ich habe doch gerade gesagt, ich weiß nicht, wie sie an die Informationen gekommen sind. Woher habt ihr denn gewusst, dass er in Gordes sein wird? Habt ihr auch einen Insider?«
»Nein, all unsere Informationen stammen von Satellitenüberwachungen, Telefonaten, elektronischem Geldverkehr und so weiter.«
Reggie schaute ihn neidisch an. »Es ist bestimmt nett, so viel Spielzeug zu haben.«
»Dieses Spielzeug ist nur nett, wenn es denn auch funktioniert. Wenn es einen Insider gab, würde Mallory ihn dann kennen?«
Misstrauisch legte Reggie die Stirn in Falten. »Ich nehme an, aber ich glaube nicht, dass er dir das verraten würde. Er behält solche Dinge lieber für sich.«
»Ich fürchte nur, er wird sie preisgeben müssen, wenn er mit seiner Arbeit weitermachen will.«
»Willst du damit etwa sagen, dass du unsere Operation stilllegen willst?«
»Ich komme immer wieder auf denselben Punkt zurück: Wenn wir Kuchin nicht zuerst erwischen, dann wird er sich euch alle schnappen.«
»Warum gehen wir dann nicht einfach und fragen den Professor?«
Shaw schaute auf seine Uhr. »Es ist fast ein Uhr morgens. Glaubst du, er ist noch wach?«
»Der Professor schläft sogar noch weniger als ich. Vermutlich finden wir ihn in der Bibliothek.«
»Leidet er unter Schlaflosigkeit?«
»Nein, aber an einer vergrößerten Prostata.«
Shaw konnte nur den Kopf schütteln.
Kapitel zweiundachtzig
W ie sich herausstellte, war Mallory nicht in der Bibliothek. Sie fanden ihn in seinem Büro. Der Professor war noch immer angezogen. Er saß hinter seinem Schreibtisch, faltete selbstbewusst die Hände, und sein Blick wanderte zwischen Reggie und Shaw hin und her, als Shaw ihm die Frage stellte.
»Ich kenne die Identität der Person nicht«, erklärte Mallory gereizt.
»Aber da gab es jemanden, korrekt?«, hakte Shaw nach.
»Ja. Manchmal greifen wir auf Informanten
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