Doppelspiel
zu bleiben, die man sich vorstellen kann. Bleiben wir das nämlich nicht, dann gewinnen die anderen.«
Dominic trank den Rest seines Biers. »Wie war das eigentlich?«
Reggie starrte ihn mit leerem Blick an. »Wie war was? Als er seine verdammte Hand unter meinen Rock geschoben hat?«
»Nein, ich meine … Du weißt schon …«
»Um die Wahrheit zu sagen, habe ich eigentlich nie darüber nachgedacht.«
»Ich habe das noch nie tun müssen«, erklärte Dom. »Deshalb die Frage.«
»Wenn es so weit ist, dann wirst du schon damit zurechtkommen, Dom. Jeder macht das anders, aber du wirst den Job erledigen. Daran hege ich nicht den geringsten Zweifel.«
Dom schwieg kurz und sagte dann mit leiser Stimme: »Die anderen Nazijäger haben sie immer an die Polizei ausgeliefert, und sie wurden vor Gericht gestellt. Warum machen wir das nicht auch so?«
Reggie beugte sich wieder vor und flüsterte: »Das sind nur die Fälle, über die du in der Zeitung liest. Glaubst du etwa, dass es keine Gruppen gibt, die diese Kerle direkt den Israelis ausgeliefert haben? Und glaubst du wirklich, die Juden hätten auch nur einen Tag vor Gericht an die verschwendet? Außerdem verlieren die Leute das Interesse an alledem. Die Amerikaner haben zwar noch immer eine eigene Abteilung für Naziverbrecher im Justizministerium, doch deren Mittel und Personal sind brutal zusammengestrichen worden, weil alle glauben, die meisten Hitlerjünger seien ohnehin schon lange tot. Als ob das verdammte Dritte Reich ein Monopol auf das Böse hätte. Ich habe in Afrika, Asien und Osteuropa schon Völkermorde gesehen, die jede Vorstellungskraft sprengen. Das Böse kennt keine Grenzen. Wer etwas anderes glaubt, ist einfach nur verrückt.«
Nach kurzem Schweigen wechselte Dominic das Thema. »Wie, glaubst du, wird der Plan aussehen?«
»So, dass ich nicht an einem öffentlichen Ort darüber reden will.«
»Oh. Tut mir leid. Ich fahre heute Abend übrigens nach Harrowsfield.«
Reggie entspannte sich wieder. »Ich auch. Der Professor will früh anfangen, und das Pärchen in der Wohnung über mir fickt sich ständig das Hirn raus. Ständig höre ich nur: ›Ja! Ja! O Gott! Gib’s mir!‹ Ich drehe meine Anlage zwar immer voll auf, aber es macht mich trotzdem wahnsinnig. Sollen wir zusammen rausfahren?«
»Nein, ich nehme das Motorrad.«
»Die Sackrakete?«
»Was? Oh … Du hast mit Whit also nicht nur über die Mission gesprochen.«
»Es ist ein wenig nass für eine Motorradtour, meinst du nicht?«
»Ich habe eine Allwetterausrüstung«, erwiderte Dom und fügte dann wehmütig hinzu: »Außerdem mag ich Harrowsfield lieber als meine Wohnung in Richmond.«
»Ich mag es vor allem, dass ich dort nachts endlich mal durchschlafen kann.«
»Dann sehen wir uns da. Ich muss aber erst noch tanken. Cheers.«
Als sie aufstanden, um zu gehen, legte Reggie Dom die Hand auf die Schulter. »Dom, wenn der Augenblick gekommen ist, dann musst du dich einfach auf die Tatsache konzentrieren, dass nun endlich Gerechtigkeit geübt wird. Das ist alles. Und dir geht’s gut. Versprochen.«
Kapitel zehn
A m nächsten Morgen wachte Reggie früh auf. Sie setzte sich in ihrem Schlafzimmer im dritten Stock von Harrowsfield auf und zitterte. Dieser Teil des Hauses wurde nie beheizt. Sie schaute aus dem Fenster. Der Regen hatte sich verzogen, und Reggie sah sogar ein paar Sonnenstrahlen, die durch die Wolkendecke brachen. Sie wusch sich das Gesicht, zog sich einen Jogginganzug und Laufschuhe an und verließ das Haus durch den Hintereingang, um ihren Morgenlauf zu machen. Fünf Meilen später kehrte sie verschwitzt und mit Lungen voller wunderbar frischer Luft wieder zum Haus zurück. Der Geruch von kochendem Kaffee, gebratenem Schinken und Eiern wehte aus der Küche zu ihr heran. Reggie duschte rasch und erduldete sogar eine Minute eiskalten Wassers, während die alten Rohre unter der Belastung ächzten. Schließlich zog sie sich Jeans, Ballerinas, ein weißes T-Shirt und darüber ein schwarzes Sweatshirt mit V-Ausschnitt an und ging nach unten.
Manchmal waren bis zu zwanzig Leute in Harrowsfield, heute allerdings nur gut zehn, schätzte Reggie. Einige von ihnen waren Historiker, die in der Bibliothek oder den Büros im ersten Stock forschten. Ihr einziges Ziel bestand darin, das nächste Monster zu finden, damit das Team sich darum kümmern konnte. Es gab Linguisten, die die Sprachen aller Länder beherrschten, wo das Böse lauerte. Andere Forscher schauten sich alte Telegramme
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