Doppelspiel
keinen Bestand. Der Kerl ist übel, richtig übel. Daran besteht kein Zweifel; aber es zu beweisen, ist etwas vollkommen anderes.«
»Warum machen wir uns dann überhaupt die Mühe, ihn zu jagen, wenn wir ihn ohnehin nicht wegsperren können? Das wird ihn doch nur warnen.«
Frank schüttelte den Kopf. »Hier geht es nicht darum, ihn zu verknacken. Er soll reden. Wir schnappen ihn uns und überzeugen ihn davon, dass es in seinem besten Interesse liegt, uns von seinen neuesten Geschäften zu erzählen.«
»Und was wären das für Geschäfte?«
»Der Verkauf von nuklearem Material an islamistische Fundamentalisten, die auf der ganzen Welt gesucht werden. Wenn er sie verpfeift, bekommt er einen Deal.«
»Was für einen Deal?«
»Er kann gehen.«
»Damit er weiter junge Mädchen versklaven kann?«
»Wir reden hier davon, eine nukleare Katastrophe zu vermeiden, Shaw. Auf so einen Handel lassen sich die da oben nur allzu gerne ein. Zumindest werden wir seine Organisation so für eine Weile aus dem Verkehr ziehen. Aber er behält seine Freiheit und all sein Geld, das er ohne Zweifel überall auf der Welt versteckt hat.«
»Dann wird er seinen Laden also einfach neu eröffnen. Weißt du, manchmal bin ich mir gar nicht mehr so sicher, wer in diesem Spiel der Böse ist.«
»Das sind wohl alle, nur jeder auf seine eigene Art.«
»Okay, wie lautet der Plan?«
»Wir haben erfahren, dass er nach Südfrankreich unterwegs ist, um dort ein wenig Urlaub zu machen. Er hat eine Villa in Gordes gemietet. Warst du schon mal dort?« Shaw schüttelte den Kopf. »Wie ich gehört habe, ist es dort sehr schön.«
»Das sagt man auch von Wien. Nur leider sehe ich von den meisten Städten nur die Kanäle, die Notaufnahmen und die Leichenhalle.«
»Er reist schwer bewacht.«
»Das tun diese Typen immer. Wie hast du dir die Aktion vorgestellt?«
»Schnell und sauber natürlich. Aber die Franzosen haben nicht den blassesten Schimmer von der Aktion; also können wir auch nicht mit ihrer Hilfe rechnen. Wenn man dich erwischt, bist du am Arsch.«
»Ist das nicht immer so?«
»Der Zeitplan ist eng.«
»Wie immer.«
»Stimmt«, gab Frank zu.
»Fassen wir mal zusammen«, sagte Shaw. »Wir entführen ihn, bearbeiten ihn und hoffen, dass es uns gelingt, ihn zu brechen, korrekt?«
»Unser Job ist es nur, ihn zu schnappen. Das Brechen übernehmen andere.«
»Okay … Und dann lassen sie ihn laufen?« Shaw war seine Abscheu deutlich anzuhören.
»Die Regeln werden nun mal von den Jungs in den Anzügen gemacht.«
»Du trägst auch einen Anzug.«
»Ich korrigiere mich: Die Regeln werden von den Jungs in den teuren Anzügen gemacht.«
»Okay, aber wie du dich vielleicht erinnerst, lief es nicht gerade gut, als ich zum letzten Mal in Frankreich gewesen bin.«
Frank zuckte mit den Schultern. »Wenden wir uns mal den Details zu.«
Shaw leerte seine Tasse. »Ja, die Details sind immer das Entscheidende, Frank … die Details und pures Glück.«
Kapitel fünf
R eggie Campion fuhr mit ihrem zehn Jahre alten Smart City-Coupé von ihrer Londoner Wohnung vorbei an Leavesden in Richtung Norden und von dort noch ein paar Meilen weiter. Nachdem sie sich durch eine Reihe Landstraßen geschlängelt hatte, bog sie auf einen Feldweg ein, der gerade breit genug für ein Fahrzeug war, und schließlich erreichte sie die von Flechten überwucherten Steinsäulen, auf denen ›Harrowsfield‹ zu lesen stand, der Name des Besitzes, auf dem sie sich nun befand. Wie immer wanderte ihr Blick die mit Kies befestigte Auffahrt zu dem alten, in sich zusammenfallenden Herrenhaus hinauf.
Einige behaupteten, Rudyard Kipling hätte das Landgut einst gemietet. Reggie bezweifelte das, obwohl sie sich durchaus vorstellen konnte, dass solch ein Ort einem Autor gefallen hätte, der so fantastische Abenteuergeschichten voller Intrigen verfasst hatte. Harrowsfield war ein riesiger Ort mit Geheimtüren und -gängen, Türmen voll kalter Kammern, einer großen Bibliothek, Gängen, die in Sackgassen endeten, einem Dachspeicher, der zu gleichen Teilen mit Antiquitäten von Museumsformat und Müll vollgestopft war, einem labyrinthartigen Keller voller schimmeliger Flaschen mit inzwischen untrinkbarem Wein, einer uralten Küche mit löchrigem Dach und genügend Nebengebäuden, um ein ganzes Bataillon darin unterzubringen. Harrowsfield war uralt, fiel allmählich auseinander, war größtenteils unbewohnbar, und Reggie liebte es. Hätte sie das Geld gehabt, sie hätte das Gut
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