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Doppelspiel

Doppelspiel

Titel: Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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Kerl hatte eine lange Nase, einen kahl rasierten Kopf, und sein Gesichtsausdruck löste nur ein Gefühl aus: Furcht.
    »Das ist Evan Waller«, sagte Mallory. »Es heißt, er sei vor dreiundsechzig Jahren in Kanada geboren worden, doch das stimmt nicht. Er genießt den Ruf eines angesehenen Geschäftsmanns; aber …«
    »Aber was hat er für einen Ruf bei den Leuten, die ihn wirklich kennen?«, meldete Whit sich zu Wort. Er zog die Pistole aus dem Holster und legte sie auf den Tisch.
    Wenn Mallory sich darüber ärgerte, dass Whit ihn unterbrochen und offen eine Waffe auf den Tisch gelegt hatte, dann ließ er sich das zumindest nicht anmerken. Stattdessen funkelten seine Augen, als er sagte: »Evan Waller heißt in Wirklichkeit Fedir Kuchin.«
    Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, doch als er keinerlei Reaktion bei seinen Leuten bemerkte, machte sich Enttäuschung in ihm breit. »Kuchin ist gebürtiger Ukrainer und diente zunächst im Militär und dann bei der ukrainischen Geheimpolizei, die direkt dem KGB unterstand.« Als auch darauf niemand reagierte, hakte Mallory in scharfem Ton nach: »Haben Sie alle denn noch nie vom Holodomor gehört?« Er schaute zur anderen Seite des Tischs. »Dominic, an der Universität haben Sie doch sicher etwas darüber gelernt, oder?«, fragte er flehentlich.
    Dominic schüttelte den Kopf. Ihm war deutlich anzusehen, wie leid es ihm tat, den alten Mann zu enttäuschen.
    Reggie meldete sich zu Wort. » Holodomor ist der ukrainische Begriff für ›Tötung durch Hunger‹. Anfang der 30er-Jahre hat Stalin fast zehn Millionen Ukrainer mittels Hungertod ermordet. Darunter war allein ein Drittel der Kinder des Landes.«
    »Wie zum Teufel hat er das denn geschafft?«, verlangte ein angewiderter Whit zu wissen.
    Mallory antwortete: »Stalin hat die Rote Armee und die Geheimpolizei geschickt, um alles Vieh, alles Korn und alle Werkzeuge zu requirieren. Besonders hart hat es das Land am Dnjepr getroffen, das lange als Brotkorb Europas gegolten hat. Dann hat er die Grenzen schließen lassen, um zu verhindern, dass die Menschen fliehen oder Versorgungsgüter einschmuggeln konnten. Außerdem erfuhr der Rest der Welt auf diese Weise so gut wie nichts von den Ereignissen. Damals gab es ja noch kein Internet. Ganze Städte verhungerten, und nach noch nicht einmal zwei Jahren war ein Viertel der Landbevölkerung tot.«
    »An Grausamkeit konnte Stalin es problemlos mit Hitler aufnehmen«, bemerkte Liza Kent. Liza war Ende vierzig und sah mit ihrem langen Rock, den schweren Schuhen und der weißen Rüschenbluse recht altmodisch aus. Ihr hellblondes und von silbernen Strähnen durchsetztes Haar war ungewöhnlich fein und reichte ihr bis auf die Schulter, doch sie hatte es stets zu einem Dutt gebunden. Ihr Gesicht hatte nichts an sich, woran man sich erinnern würde, und ihre bernsteinfarbenen Augen verbarg sie zumeist hinter dicken Gläsern in einer konservativen Fassung. Liza konnte problemlos in nahezu jeder Menschenmenge untertauchen. Tatsächlich hatte sie jedoch über zwölf Jahre lang für den britischen Geheimdienst gearbeitet. Sie hatte Spionageabwehraktionen auf drei Kontinenten geleitet und als Souvenir aus dieser Zeit eine in Rumänien gefertigte Kugel gefährlich nah an ihrem Rückgrat. Diese Verletzung hatte dann auch dazu geführt, dass sie mit einer kleinen Rente frühzeitig in den Ruhestand hatte gehen müssen. Doch sie war es rasch leid geworden, sich nur noch um ihren kleinen Garten zu kümmern, und so hatte sie sich dem Professor angeschlossen.
    »Warum hat er das getan?«, fragte Dominic.
    »Meinen Sie, warum Stalin gemordet hat?«, schnappte Mallory. »Warum beißt eine Schlange? Warum verschlingt ein weißer Hai seine Opfer mit nahezu unvorstellbarer Wildheit? So war er einfach. Das war seine Art. Und er hat seine Mordlust in einem Maßstab ausgelebt, wie man es zuvor so gut wie nie gesehen hat. Er war ein Irrer.«
    »Stalin mag zwar ein Irrer gewesen sein, aber er hatte auch ein Motiv«, warf Reggie ein und ließ ihren Blick über die Anwesenden schweifen. »Er hat versucht, den ukrainischen Nationalismus auszurotten. Und er wollte den Widerstand der Bauern gegen die Kollektivierung brechen. Es heißt, es gebe noch heute nicht einen Ukrainer, der nicht mindestens einen Angehörigen während des Holodomor verloren hat.«
    Mallory lächelte anerkennend. »Ich wusste ja gar nicht, dass Sie Geschichte studieren, Regina.«
    Sie schaute ihn mit hartem Blick an. »Nicht

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