Doppeltes Spiel (German Edition)
Bruder, ermahnte sie sich im Stillen. Lass die Finger von ihm, sei vernünftig. Daraus kann nichts Gutes werden!
Nicholas schien sich ähnlich ins Gebet genommen zu haben, denn als sie das Tageslicht erreichten, wirkte er distanziert und kühl. Mit einer höflichen Handbewegung dirigierte er Lysette über den Hof. »Ich denke, nach der Abkühlung können wir ein wenig Sonne vertragen«, schlug er vor.
Lysette war ihm dankbar für die Entfernung, die er zwischen ihnen errichtete. Sie folgte ihm zu Sandrines kleinem Auto, das im Schatten einer kleinen Baumgruppe stand, und erwartete, dass er sie zum Einsteigen auffordern würde. Aber Nicholas griff nur nach der Kühltasche, die er vorhin auf den Rücksitz gestellt hatte, und hängte sie sich über die Schulter. »Das sieht nach bequemen Schuhen aus«, sagte er mit einem Blick auf Lysettes Sneaker. »Nicht sehr wetterfest, aber wenigstens nicht diese Marterinstrumente, die du sonst an den Füßen trägst.« Er verzog das Gesicht. »Also, gehen wir.«
Lysette folgte ihm genauso brav bei Fuß wie Demoiselle, die geduldig mit dem Kopf auf den Pfoten neben der Tür auf ihr Herrchen gewartet hatte. »Mit doppelter Damenbegleitung in den Wein«, hörte sie einen der Arbeiter lachen. Nicholas zeigte ihm, ohne sich umzudrehen, mit Zeigefinger und Daumen den Ring - »Arschloch”. Gelächter schallte hinter ihnen her.
»Die sind aber ganz schön frech«, sagte Lysette atemlos. Sie hatte Mühe, hinter dem schnell ausschreitenden Mann nicht den Anschluss zu verlieren.
»Es sind gute Leute«, erwiderte er. »Gaspard, das ist der, der uns nachgerufen hat, hat schon für meinen Großvater gearbeitet.«
Sie gingen einen Fußpfad zwischen schulterhohen Weinstöcken entlang. Das Sonnenlicht spielte im hellen Grün des Weinlaubs, es war drückend heiß. Zikaden zirpten ein monotones Lied. Demoiselle lief ihnen voraus und wartete, bis sie herangekommen waren, dann rannte sie mit fliegenden Ohren weiter.
»Die Reben auf diesem Feld sind traditionell erzogen«, erklärte Nicholas. »Dort drüben probieren wir seit zwei Jahren die offene Lyra. Durch die Zweiteilung des Laubs gelangt mehr Licht in die inneren Blattschichten, damit können sie stärker assimilieren.«
»Erziehen?«, fragte Lysette, die schon bei diesem Teil seines Vortrags den Faden verloren hatte. Sie warf einen Blick auf die ›offene Lyra‹, die nichts weiter war, als ein V-förmiges Gestänge, an dem Wein emporrankte.
»So nennt man die Ausrichtung und Befestigung der Reben.« Er lächelte. »Winzersprache. Entschuldige. Ich bin nicht daran gewöhnt, mit schönen Frauen über meine Arbeit zu sprechen.«
Lysette neigte den Kopf und lächelte. »Also muss man nicht nur Kinder, sondern auch Reben erziehen, damit etwas Ordentliches aus ihnen wird.«
»So ist es«, stimmte er zu. »Obwohl einige der Stöcke hier schon älter sind als ich. Schau mal, hier auf dem Feld zu deiner Linken. Die Rebstöcke dort hinten sind zwischen dreißig und vierzig Jahre alt, und ich besitze sogar noch ein paar Stöcke von meinem Großvater, die schon an die sechzig Jahre alt sind.«
Er plauderte weiter über Rebsorten und Erträge, manuelle Weinlese und das dichte Aroma, das die Trauben der stolz gepflegten alten Reben lieferten. Sie marschierten weiter durch die sonnenglühenden, hitzeflirrenden Weinfelder und erreichten schließlich ein Wäldchen, an dessen Rand Nicholas Halt machte. »Pause?«, fragte er.
Lysette nickte und sah sich um. »Ich fürchte, ich habe Hunger«, sagte sie verlegen. Das Croissant vom Frühstück war längst vergessen und ihr knurrte der Magen.
Nicholas stellte die Kühltasche hin und lachte. »Hunger? Das haben wir vorausgesehen. Voilà, Madame.« Er öffnete die Tasche und begann ihren Inhalt auf einem flachen Stein auszubreiten, der wie ein Tisch auf zwei niedrigen Steinblöcken aufgestellt worden war. Sorgsam in Alufolie und Pergamentpapier gewickelte Päckchen, zwei verschlossene Dosen, Teller und Besteck, zwei Gläser, Servietten ... Lysette sah mit großen Augen zu, was aus der Tasche zum Vorschein kam. »Woher hast du das alles?«, fragte sie verblüfft.
»Sandrine hat immer Angst, ich könnte verhungern.« Er öffnete eine der beiden Dosen und brummte zufrieden. »Hm. Tomatensalat à la Sandrine. Das hier sind Sandwiches mit Huhn und Salat und diese hier mit Roastbeef, Gurken und Senf. Baguette, Oliven und ein schöner Tomme.« Er nahm den kleinen Käse in die Hand und schnupperte genüsslich
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