Doppeltes Spiel (German Edition)
daran.
»Ah, zut alors , uns fehlt der Wein.« Er sah sich suchend um und zuckte dann mit den Schultern. »Jetzt sitzen wir hier inmitten von Weinfeldern und haben nichts zu trinken.«
Lysette schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich könnte zurücklaufen und etwas holen«, schlug sie vor.
Nicholas lächelte verschmitzt. »Greif doch mal hinter dich.«
Lysette, die sich auf der Bank hinter dem Steintisch niedergelassen hatte, folgte verdutzt seiner Anweisung. Ihre Hand schloss sich um einen Tonkrug, der im Schatten lagerte. Er war kühl und feucht beschlagen.
»Na so was«, sagte Nicholas vergnügt. »Da hat uns ein freundlicher Gnom ein Geschenk hinterlassen.«
Lysette sah zu, wie Nicholas den Verschluss des Kruges mit einem kleinen, scharfen Messer öffnete. »Lass mich raten«, sagte sie. »Der Gnom heißt Nicholas. Woher wusstest du ...«
»Ich habe Charlot damit hinaufgeschickt, weil ich keine Lust hatte, auch noch den Krug zu schleppen.« Er grinste. »Charlot arbeitet mit den Männern heute im oberen Feld, das war kein Umweg für ihn.«
Er hatte den Krug geöffnet und schenkte daraus die beiden Gläser voll. Ein hellroter, duftender Wein leuchtete im Sonnenlicht. Dazu das satte Grün der Salatblätter, das weiche, helle Brot, der weiße Käse und die dunkelroten reifen Tomaten ... Lysette lief das Wasser im Mund zusammen.
»Probier den Wein«, befahl Nicholas, der an seinem Glas roch und dann einen Schluck davon in den Mund nahm. »Was kannst du erkennen?«
Lysette gehorchte. Sie schmeckte und roch dem weichen, runden Aroma nach und nickte. »Sehr lecker. Kirschen und Brombeeren? Und irgendein Gewürz - nein, Lakritz!«
»Sehr richtig.« Nicholas schien zufrieden mit seiner Schülerin. »Das ist einer der Weine, die ich nicht verkaufe. Den trinkt nur die Familie. Tante Geneviève liebt ihn vor allem im Sommer. Ich stelle davon nicht genug her für eine Abfüllung. Ein einfacher Vin de Table, wenn man es genau nimmt.«
»Ich finde ihn großartig«, widersprach Lysette und nahm zum Beweis gleich noch einen Schluck. Nicholas schenkte ihr dafür einen Blick, der ihr Knie weich werden ließ und sengende Hitze durch ihren Körper schickte.
»Essen wir etwas«, sagte sie verwirrt. »Ich falle sonst gleich vor Hunger tot um und du bekommst Probleme wegen der Leiche in deinem Weinberg.«
»Wie könnte ich das meinem Bruder erklären?«, erwiderte Nicholas ernsthaft. Er fügte leise etwas hinzu, das wie »der Glückspilz« klang. Er beugte sich vor und schnitt den Käse an, dann legte er eine große Portion von dem Tomatensalat auf einen Teller, brach Baguette ab und reichte Lysette den Teller. »Das ist Sandrines Tomatensalat«, erklärte er. »Wer den nicht probiert hat, hat nicht gelebt.«
Lysette war keine erklärte Freundin von Tomatensalaten. Sie fand sie immer zu sauer und zu fad. Aber um nicht unhöflich zu sein, probierte sie eine Gabel voll und riss die Augen auf. »Der ist wirklich gut«, bestätigte sie und schob eine zweite Gabel hinterher.
»Schöne, reife Tomaten vom Gut«, sagte Nicholas zufrieden. »Und Petersilie, süße Zwiebeln, Knoblauch, Essig aus eigener Herstellung - eigentlich ganz einfach, aber er schmeckt nur dann so gut, wenn Sandrine ihn macht.«
Beide aßen schweigend und hingebungsvoll. Lysette ließ den Blick schweifen. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie auf ihrem Weg durch die Weinfelder auch einen Anstieg bewältigt hatten. Nun saßen sie auf einer Hügelkuppe, die einen wunderschönen Ausblick bot. Weit hinten konnte sie das rote Ziegeldach des Weinguts durch dunkelgrün belaubte Baumwipfel schimmern sehen. Der Himmel war so blau, dass es in den Augen schmerzte, und die Luft flimmerte über dem Tal. Ein leichter Windhauch kühlte ihre Wangen. Sie seufzte vor Behagen. Wenn dieser Tag doch nie zu Ende gehen könnte!
»Ah«, machte Nicholas zufrieden. »Und jetzt der Nachtisch.« Er öffnete die zweite verschlossene Schale, und Lysette erhaschte einen Blick auf rote Beeren. »Erdbeeren«, rief sie aus. »Ich liebe Erdbeeren!«
» Bien .« Nicholas wählte eine besonders schöne Frucht aus und hielt sie Lysette hin. Als sie danach greifen wollte, zog er die Hand ein Stück zurück. Er fing ihren Blick ein, und sie verlor sich in den Tiefen seiner grünen Augen wie im Anblick eines kühlen Bergsees. Wie hypnotisiert beugte sie sich vor, seine Hand mit der Erdbeere näherte sich ihrem Gesicht, und sie nahm die Frucht mit den Lippen aus seinen Fingern. Er berührte
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