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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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vorbeikommst? Dann erzähle ich mehr.«
    Sie sah mich genau an. Bei den Göttern, in diesen großen Augen konnte man förmlich versinken, in den leuchtenden Smaragden ihrer Pupillen …
    »In Ordnung«, meinte sie. »Dann also bis morgen.«
    Sie deutete eine Verbeugung an und ging. Doch kurz vor der Tür hielt sie noch einmal inne.
    »Eine Frage habe ich für heute aber noch«, gab sie vor.
    »Ich höre.«
    »Warum isst du nicht mit dem Rest der Hohen Häuser im großen Aanssaal?«
    »Ich habe nach einem langen Tag gerne meine Ruhe«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Und unter den missgönnenden Blicken einiger gewisser Leute zu speisen ist … na ja, du kannst dir sicher vorstellen, dass ich lieber hier oben bin.«
    Sie legte den Kopf schief.
    »Ja«, kam auf nachdenkliche Weise von ihr. »Das kann ich mir sogar sehr gut vorstellen.«
    »Gut. Dann hätte ich meinerseits auch noch eine Frage.«
    »Gerne, Majestät.«
    Sie versuchte mich zu ärgern. Ich ging nicht darauf ein, sondern stellte meine Frage.
    »Linus, der Berater deines Vaters … ist er ein Elb?«
    Urplötzliches Schweigen entstand. Der Schalk aus ihren Augen war mit einem Male verschwunden.
    »Woher weißt du das?«, fragte sie, doch wirkte sie dabei eher irritiert als verärgert.
    »Das reicht mir als Antwort«, beschloss ich und merkte, wie sich meine Mundwinkel zu einem Grinsen meinerseits verbreiterten. Ein winzig kleiner Triumph. Immerhin!
    »Sanfte Wege, Ellyn von Gamar!«, verabschiedete ich sie.
    Lia hatte ich viel zu lange nicht gesehen, geschweige denn gesprochen. Das war mir siedend heiß eingefallen, als ich Ellyn nach dem Berater ihres Vaters gefragt hatte.
    Also nutzte ich die fortgeschrittenen Abendstunden, um sie aufzusuchen.
    Vor ihrem Zimmer hatte wie befohlen meine Garde Wache bezogen. Hermelink achtete außerdem darauf, dass sich Lia nur innerhalb des Ostturms bewegte und auch stets bewacht wurde.
    Als ich ihr Gemach betrat, stand sie an einem breiten Fenster und schaute in die weite Nacht des Flussdeltas hinaus. Still war es hier und der Schein von einem halben Dutzend Kerzenständern flackerte auf ihrem hellen Kleid. Ihre glatten, mattschwarzen Haare fielen an ihr herunter, schön wie die Nacht selbst.
    »Du wirst mir doch nicht helfen, oder?«, fragte sie tonlos, ohne auch nur den Kopf zu mir umzuwenden.
    »Wieso denkst du das?«
    Ich durchquerte das Zimmer mit behutsamen Schritten, um mich neben sie in die Balkontür zu stellen.
    Von der Seite sah sie mich an, traurig, unendlich traurig. Ihre Augen allein sprachen Dinge über Schuld und Ermüdung, während ihr hübsches Gesicht wie ein Bühnenbild von ihrem Haar preisgegeben wurde.
    »Wir sind jetzt schon seit sieben Tagen hier«, sagte sie. Es klang nicht anklagend, es klang bedauernd. »Du hattest gesagt, du hilfst mir. Stattdessen harre ich in diesem Turm wie eine Gefangene.«
    Ich wollte es mir gerade zu Herzen nehmen, was sie sagte, als mir einfiel, wie erwachsen Lemander sie behandelt hatte. Ich besann mich. »Ich tue das nicht, um dich zu verletzen, Lia. Und das weißt du ganz genau.«
    Sie sah weg, wieder hinaus in die Nacht.
    »Ich tue das, weil ich es muss«, erklärte ich bestimmt. »Der König des Reiches ist gestorben und bis die Fürsten jemanden zur Nachfolge bestimmt haben, bin ich es, der die Aufgaben des Königs übernimmt.«
    »Du tust es aus falschem Pflichtgefühl heraus«, sprach Lia in die Nacht hinein.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Jemand muss es tun, Lia.«
    »Du glaubst an dieses Reich der Menschen und an seine Bewohner. Du hängst dein Herz daran und merkst nicht, wie es dich ankettet.«
    »Ich stehe zum Ehernen Reich, das ist völlig richtig.«
    »Aber auch euer Ehernes Reich wird nicht ewig bestehen.«
    »Das mag sein«, räumte ich ein. »Aber es ist das einzige Reich, das wir Menschen hier haben. Es ist das Beste, was wir haben. Ich würde es niemals aufgeben.«
    »Was ist mit den Nordleuten? Die haben auch ihr eigenes Reich. Oder die Menschenvölker noch weiter entfernt, die Steppenvölker des Endlosen Gräsermeers, die großen Völker des Südens?«
    Ich nickte. Natürlich war das Eherne Reich nicht das einzige Menschenreich …
    »… aber es ist das Einzige, das wir hier haben«, betonte ich abermals. »Ich würde ihm niemals bewusst schaden. Und das würde ich, wenn ich einfach aufbräche, um dich nach Quainmar zu geleiten.«
    Lia antwortete nicht darauf. Ruhig und in sich gekehrt schweifte ihr Blick weiter über die Brüstung des

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