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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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widrigen Bedingungen war bemerkenswert und ihre Kunst des Schiffbaus legendär. Sie befuhren Meer und Flüsse mit schmalen, schnellen Booten, die dennoch mitunter mehreren Dutzend Mann Platz boten.
    Die Harjenner waren die ersten, die – vor beinahe zweihundert Jahren – dem Ehernen Reich den Rücken gekehrt hatten. Ihre Lebensführung hatte sich als zu verschieden erwiesen. Dennoch waren die Harjenner stets die treuesten Verbündeten des Ehernen Reiches gewesen. Vor allem in den kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Steppenvölkern des Endlosen Gräsermeers hatten sie sich als zuverlässige Bündnispartner erwiesen. Aber ebenso im langen Krieg der eisernen Brüder , der zur Verwüstung der einstigen Fürstentümer im Nordosten geführt hatte, die nun Die Verlorenen Lande genannt werden.
    Eine Abgesandtschaft zur Bekundung der Trauer und des Mitgefühls wäre dennoch etwas übertrieben gewesen (obwohl König Hroth gute Kontakte zu den Harjennern pflegte, wie ich seinen brieflichen Korrespondenzen entnommen hatte).Und so irritierte mich die Ankündigung doch sehr, Prinz Leonhrak aus Lukae würde persönlich in der großen Halle erscheinen.
    Allerdings freute ich mich auf ein Wiedersehen. Vor Zwölf Jahren war Leonhrak ebenfalls in der Hauptstadt gewesen, unter dem Gefolge seines Vaters. Wir hatten einige nette Gespräche geführt, die uns von der Anspannung der Gesamtsituation abgelenkt hatten – zumindest, bevor alles sprichwörtlich mit einem Donnerschlag eskaliert war.
    Gespannt wartete ich in der großen Halle. Vor dem Ehernen Thron hatte ich einen kleineren Holzstuhl aufstellen lassen. Ich wollte nicht auf dem Thron Platz nehmen. Erstens war ich nicht der König und zweitens wollte ich kein Gerede.
    Müde von der wechselhaften Nacht stützte ich den Kopf auf eine Faust und starrte auf die riesigen, aus Gusseisen geformten Banner der Hohen Häuser. Sie waren noch gewaltiger als jene im Ratssaal, in dem in diesem Moment das Konklave erneut zusammentrat. Sie standen in voller Tradition des Namens, den der Volksmund der Halle gab: Die Aanshalle. Benannt nach dem ersten König des Ehernen Reiches. Doch war die beinahe bittere Ironie der Geschichte, dass das Reich ganz und gar nicht so stählern oder unwandelbar war, wie sein Name glauben machen wollte.
    Mein Blick streifte das sogenannte Rubinrote Szepter, das bei der Proklamation des Reiches für König Aan gefertigt worden war und das er bis zu seinem Tode zu offiziellen Anlässen getragen hatte. König Hroth hatte es schließlich über dem Ehernen Thron anbringen lassen, weil ihm das Tragen dieser Insignie als lästig und unnütz erschienen war. Der Name rührte von den länglich geschliffenen Rubinen her, die überall in den Stab und den Kopf des Szepters eingelassen waren und ihm besonders im Licht einen glühend roten Glanz verliehen.
    Ein Herold des Ordens kündigte den Besuch an:
    »Es betritt zur Audienz den Saal: Prinz Leonhrak aus dem fernen Lukae, samt Gefolge.«
    Die schweren Eichentüren des Saales schwangen auf und was ich erblickte, ließ mich bleich werden.
    Alte Männer. Ein Dutzend alter Männer betrat den Raum. Oder zumindest machte es den Anschein als wären sie alt. Schütteres Haar fiel in Strähnen über ihre Nacken. Falten zierten ihre Gesichter. Tränensäcke rahmten ihre Augen. An den gestählten Muskeln ihrer Oberarme hingen Hautfalten herunter.
    Ich war vollkommen perplex.
    »Wer sind diese Männer?«, verlangte ich lauthals zu wissen. »Ich kenne Prinz Leonhrak. Und ich sehe ihn nicht.«
    »Doch, das tust du«, schälte sich die erschöpft kratzende Stimme aus der Kehle des vordersten Mannes.
    Ich stand auf und durchquerte die Aanshalle mit großen Schritten, bis ich direkt vor dem entkräfteten Haufen stehenblieb.
    Tatsächlich. Der Mann in vorderster Front hatte seinen federbestückten Helm abgesetzt und unter den Arm geklemmt. Er sah aus, als hätte er siebzig Sommer oder mehr gesehen. Ein letzter Schimmer des einst so satten Schwarzes lag noch auf seinen Haaren. Er hatte ein von Falten zerfurchtes Gesicht, besonders um die Mundwinkel und Augen. Aber die Gesichtszüge waren absolut unverkennbar. Vor mir stand eindeutig Prinz Leonhrak.
    Er trug den Siegelring.
    »Bei den Göttern«, hauchte ich und ging um ein Haar in die Knie vor Schreck. »Was ist geschehen?«
    Mein erster Gedanke war, dass die Nordmänner vielleicht von einer Seuche heimgesucht worden waren.
    »Deckard von Falkenberg«, murmelte der grotesk gealterte

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