Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
Vom Netzwerk:
seiner Verdauung einweihen wollen. Vielleicht tat es Angelo. Er brauchte keine menschliche Nahrung, also wie funktionierte das?
    Angelo schluckte und schob den Teller ein Stückchen von sich weg. Ich hatte ihn in Verlegenheit gebracht. Nun sah er nicht mehr aus wie zwanzig, sondern wie maximal achtzehn.
    »Ich würde mal sagen, nicht anders als ihr Menschen. Was reingeht, muss auch wieder raus, oder? Auf, ähm, normalem Wege. Bulimisch bin ich nicht. Oh mein Gott … Was erzähl ich hier?« Meine Fragerei war ihm sichtlich unangenehm. Ich errötete, und wenn er es gekonnt hätte, hätte er mir wahrscheinlich Konkurrenz gemacht. Trotzdem behielt er sein Lächeln. »Ich glaub, ich esse jetzt nichts mehr«, fügte er tadelnd hinzu. »Ich kann nicht essen, wenn du solche Fragen stellst.«
    »Doch, iss!«, ermunterte ich ihn. »Bitte, iss. Ich gucke auch nicht mehr hin. Ich wundere mich nur darüber, dass du es überhaupt tust.«
    »Ich esse gerne Pizza, was ist daran so außergewöhnlich?« Angelo nahm das Messer wieder in die Hand und sah die Pizza misstrauisch und zugleich sehnsüchtig an. Dann siegte der Appetit und er griff zu.
    »Na ja, du brauchst sie nicht«, wandte ich ein. »Du brauchst gar kein Menschenessen. Es macht dich nicht satt!«
    »Macht dich Schokolade satt? Isst du Schokolade, um dich zu ernähren? Was treibt dich dazu, Schokolade zu essen, bevor du ins Bett gehst, hm?«
    Himmel, war die Salami scharf. Ich spülte einen großen Schluck Rotwein nach und schloss verzückt die Augen, als sich die Aromen miteinander vermischten.
    »Woher weißt du, dass ich abends Schokolade esse?« Zu Hause hatte ich das tatsächlich getan.
    »Ach, das machen doch alle Frauen!«, entgegnete Angelo schmunzelnd. »Ihr könnt gar nicht ohne Schokolade.«
    Sagst ausgerechnet du, dachte ich mit stillem Vergnügen. Kinderschokolade auf dem Piano und dann den Frauenversteher raushängen.
    »Aha. Du kennst also so viele Frauen, dass du für ihre Allgemeinheit sprechen kannst?«, zog ich ihn auf.
    »Nicht viele. Einige. Äh … na ja. Ich glaube, egal, was ich jetzt sage, ist falsch, oder?« Er grinste mich an wie ein Junge, der genau wusste, dass er Mist gebaut hatte. Sehr bezwingend, dieses Grinsen, und eine verdammt schwierige Basis für neue Wortgefechte. Oder vielleicht eine ausnehmend gute?
    Wir alberten noch eine Weile herum, Andeutungen streuend und uns gegenseitig auf die Schippe nehmend, bis der Kellner uns zwei Ramazotti brachte und wir merkten, das die Nacht hereingebrochen war. Es war Angelo, aus dessen Gesicht mit einem Mal die Heiterkeit wich, und ich wusste, dass ich nun etwas hören würde, was mir nicht gefallen würde. Ob ich es hinauszögern konnte? Doch Angelo war schneller.
    »Du, Ellie … oh verflucht, wie fang ich nur an …«
    »Fang einfach an.« Ich trank den Ramazotti aus und stellte das Glas zur Seite, um ihm zu zeigen, dass ich bereit war, wofür auch immer.
    »Hast du dir eigentlich noch nie überlegt, ob dein Vater vielleicht … ob er auf die andere Seite gewechselt ist?«
    »Dass er – was?« Ich hatte nicht schreien wollen und mir fest vorgenommen, beherrscht zu bleiben, doch mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet. »Niemals! Nie!«
    Angelos Lippen wurden etwas schmaler als sonst, was ihm aber gut zu Gesicht stand. Meine Nerven hörten zu zittern auf, als ich ihn ansah, doch ich fand seine Frage immer noch unverschämt und taktlos.
    »Ich hab es ja schon einmal angedeutet«, sagte er gedämpft. »Du hast keine hohe Meinung von uns.«
    Ich schwieg konsterniert. Ich begriff nicht, wie in Gottes Namen ich eine hohe Meinung von Mahren haben sollte. Und trotzdem aß ich mit einem von ihnen Pizza. Ich benahm mich nicht sehr konsequent.
    »Ich wollte nicht behaupten, dass dein Vater jetzt dein Gegner ist, so war das nicht gemeint. Aber es ist schwierig, dauerhaft zwischen zwei Seiten zu stehen, und die meisten Halbblüter entscheiden sich irgendwann, das zu vollenden, was ihnen angedacht war, bevor sie daran zerrieben und zermürbt werden. Den Weg zurück gibt es nicht mehr. Das meinte ich vorhin, als ich sagte, dass es sich fast immer von selbst erledigt. Und wäre es denn so schändlich?«
    »Ja, das wäre es!«, rief ich, dieses Mal etwas leiser. »Papa wollte immer etwas Gutes aus dem machen, was ihm widerfahren ist, das war sein Ziel – nicht etwas Schlechtes zu werden!«
    »So ist das für dich, so einfach: Die Mahre sind schlecht und die Menschen gut? Ehrlich? Ellie, ich will gar nicht

Weitere Kostenlose Bücher