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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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strich ihm sanft über die Locken in seinem Nacken.
    »Ja, mir wurde übel mitgespielt.« Und vielleicht hätte es gar nicht so schlimm kommen müssen, es war nicht notwendig gewesen. Kein Tritt in den Bauch, keine gebrochene Hand, kein brutaler Überfall mitten in der Nacht. Doch Ellie kann es ja aushalten. Ellie macht alles mit. Die kämpft sich schon wieder hoch, auch wenn sie würgend und kotzend auf dem feuchten Boden liegt und vor Schmerzen wimmert. Hatten die anderen eigentlich nur den Hauch einer Ahnung, wie stark ich gewesen war? Aber diese dunklen Zeiten waren jetzt vorbei, sie waren endgültig vorbei. Niemand würde so etwas noch einmal mit mir tun können.
    »Was ist mit der Liebe? Was ist eigentlich mit der Liebe? Ist sie wenigstens echt und aufrichtig?«
    »Manchmal. Selten. Ich warte noch darauf. Ich habe es dir schon einmal gesagt … Wenn die Richtige kommt, wird sie an meiner und auf meine Seite gehen wollen, denn wer ehrlich liebt, hat keine Furcht vor der Unendlichkeit. Ihr Menschen gebt euch Heiratsversprechen für die Ewigkeit und lasst euch nach fünf Jahren wieder scheiden. Wenn ihr ewig leben könntet, würde wahrscheinlich niemand mehr heiraten, es würde euch Angst einjagen. Aber manchmal finden sich zwei Wesen, die es ernst meinen und sich ewig lieben, sich ewig schön und begehrenswert finden …«
    Was um ein Vielfaches leichter ist, wenn man nicht altert, vollendete ich seine Gedanken im Geiste bitter. Und damit meinte ich gar nicht so sehr ihn. Ich meinte vor allem mich. Alter schaffte Unsicherheit. Niemand wollte sich welke Blumen auf die Fensterbank stellen. Wir alle wollten die volle, duftende Blüte, nicht das verdorrte Blatt. Angelo hob seinen Kopf und lächelte mich an, versonnene Ironie mit Grübchen. Wie sehr ich diesen Anblick doch liebte …
    »Na, ist da jemand bereit für die Unsterblichkeit?«, flachste er. Oder war es eine ernst gemeinte Frage?
    »Ich … keine Ahnung. Ich … Entschuldige bitte, ich will jetzt nichts dazu sagen. Ich kann heute Nacht nichts dazu sagen.«
    »Das kannst ohnehin nur du entscheiden. Niemand darf dir diese Entscheidung abnehmen. Den Tod kannst du nicht bestimmen. Doch die Unsterblichkeit darfst nur du bestimmen.«
    Ja, das durfte nur ich – und hatte es je einen besseren Zeitpunkt gegeben? Im Moment war ich zwar verärgert und wütend, ein Zustand, den man besser nicht für die Ewigkeit konservierte. Aber ich war überzeugt davon, dass die anderen nun abreisen würden, um dem zerstörerischen Neid in ihrem Herzen zu entkommen, und ich konnte in aller Ruhe zu dem zurückkehren, was ich in den vergangenen Tagen gefunden hatte … und dann …
    »Wird es denn ehrlich niemals langweilig? Ich kann das gar nicht glauben …«
    »Glaube es. Wie sollte dieser Planet einem je langweilig werden? Ich weiß, du hast dich in diesen Landstrich hier verliebt und fürchtest, dass man ihn irgendwann kennt und er seinen Reiz verlieren könnte. Aber das tut er nicht. Selbst wenn, es gibt so viele traumhafte Gegenden auf der Welt, sogar unentdeckte, die noch nie ein Mensch betreten hat, und ich habe alle Zeit, sie zu bereisen. Natürlich muss auch ich meine Lebensmittelpunkte wechseln, irgendwann wird meine ewige Jugend auffällig, aber wenn ich an einem Ort hänge, dann kehre ich eben in hundert Jahren wieder dorthin zurück und erfreue mich von Neuem an seinen Reizen. In der Zeit dazwischen lerne ich andere Landschaften kennen und lieben … Wo warst du denn schon überall?«
    »Skandinavien, Alaska, Grönland«, antwortete ich unlustig. »Und das auch noch in der dunklen Jahreszeit.«
    Angelo zog kurz den Kopf ein, als würde er frieren.
    »Na ja. Alaska ist aufregend, vor allem wenn du dir Schlittenhunde zulegst und durch die Wildnis fährst, aber lieber ist mir die Wärme. Die Welt wartet auf dich! Hast du mal von Bora Bora gehört?«
    Ich musste grinsen. Oh, welch abgegriffenes Klischee. Nun lockte er mich in die Südsee.
    »Ja, ich weiß, es klingt kitschig und nach Hochzeitstouristen und Promis und Snobs, aber daran denke ich gar nicht … ich denke an das …«
    Wieder lehnte er seinen Kopf gegen meinen und sofort überfluteten mich die Bilder aus seinen Gedanken. Mit einem zufriedenen Seufzen schloss ich die Augen, um mich ihnen hinzugeben. Es dauerte nicht lange, war wie ein sparsam bemessener Appetitanreger und er genügte, um mir Hunger zu machen. Weißer, feiner Sand, nicht steinig und grau wie hier, türkisgrünes, kristallklares Wasser, luxuriös

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