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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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nicht mehr mit Papa aussprechen und Mama …« Nein, über Mama konnte ich nicht reden.
    »Ja, das ist wahr und es wird mich wohl mein Leben lang verfolgen. Aber ich hätte dir auch einfach glauben können, als er noch lebte. Weißt du, so krass es klingen mag, muss ich doch François dankbar dafür sein, dass er mich befallen hat, denn ohne ihn hätte ich weder Gianna kennengelernt, noch hätte ich einen Beweis gefunden, dass Papas Worte keine Lügen waren«, meinte Paul nachdenklich.
    »Das sagst du nur, um mich zu trösten. Angelo hat François geschickt, es war seine Art, uns alle zu zerstören!«
    »Und was ist passiert? Es hat uns noch enger aneinander gebunden und wieder in Einklang gebracht, was sich all die Jahre in mir gestritten und gezankt hatte. Meine Liebe zu Papa und mein Hass auf ihn. Ellie, er war bei mir …«
    Ich hörte damit auf, meine juckenden Augen zu reiben, die vom Weinen völlig überreizt waren, und sah blinzelnd zu ihm auf.
    »Er war bei dir? Wie meinst du das?«
    »So, wie ich es sage. Es waren Wachträume, derart greifbar und real, dass sie sich von meinen anderen Träumen unterschieden wie die Sonne vom Mond. Ich hab nur noch wenig geträumt in der Zeit mit François, aber diese Träume haben mir geholfen, neue Kraft zu tanken. In ihnen war alles wieder gut. Papa und ich hatten uns versöhnt und sprachen uns aus und ich konnte ihm das mit Lilly verzeihen. Nur am Schluss, seit dem Winter, da …« Paul suchte nach Worten. »Da war er anders. Müde. Todmüde.«
    »Das hast du auch geträumt?« Ich rückte von ihm ab, um ihn besser anschauen zu können. »Dass er furchtbar müde ist und nur uns zuliebe noch da? Dass er viel lieber schlafen möchte?«
    »Das kann er jetzt ja, oder?« Paul streichelte meine Wange und kniff dann vorsichtig zu, als wolle er mich damit zum Leben erwecken. »Im Grunde wusste ich zu diesem Zeitpunkt schon, dass ich keine Gelegenheit mehr haben würde, mit ihm zu sprechen. Aber es war ja bereits alles gesagt, wenn auch nur im Traum.«
    Vor den verdunkelten Terrassentüren klapperte Geschirr und ich hörte, wie Besteck auf das Wachstischtuch gelegt wurde, vertraute Geräusche eines Familienlebens, an dem ich nicht mehr teilnahm. Mama und Gianna deckten den Tisch.
    »Möchtest du denn gar nicht mehr zu uns kommen, Ellie?«, fragte Paul sanft. »Du fehlst uns. Du hast uns die ganze Zeit gefehlt.«
    Ich wusste nicht, wie mein Körper noch Tränen produzieren konnte, aber er tat es und innerhalb von Sekunden war mein Gesicht nass. Ich presste die Faust gegen meine Lippen und schüttelte den Kopf.
    »Ich schaffe das nicht.«
    »Dann sieh wenigstens nach Tillmann. Er würde sich freuen. Er liegt oben.«
    »Er liegt?«, fragte ich piepsig. Ich hatte mich schon die ganze Woche mit der Frage gequält, warum Tillmann drogenabhängig geworden war, so schnell und heftig, und kam immer nur zu einer Antwort: Ich war verantwortlich dafür. Zum einen, weil ich ihm zu viel hatte durchgehen lassen, und zum anderen – das war der Hauptgrund –, weil ich ihn vernachlässigt hatte, ja, sogar vergessen hatte ich ihn. Tillmann war der Erste gewesen, den ich vergessen hatte, ausgerechnet er, der immer an meiner Seite geblieben war, egal, wie unausstehlich ich mich benommen hatte. Er hätte vor dem Kampf gegen François sogar mit mir geschlafen, um mich abzulenken. »Warum liegt er denn?«
    »Weil er krank ist. Geh zu ihm. Immerhin hat er uns zum richtigen Zeitpunkt zu dir gelotst.«
    »Er war das?« Kopfschüttelnd barg ich mein Gesicht in den Händen. Schon wieder stieg das Schluchzen in mir auf. Für mich war es weniger ein Wunder gewesen, dass ich überlebt hatte, sondern vielmehr eines, dass sie alle gekommen waren. Sie hatten sich hinter mich gestellt, obwohl ich sie verhöhnt und mich über sie lustig gemacht hatte. Ich hatte angenommen, dass Morpheus dahintersteckte, doch nun wusste ich, dass es mein bester Freund gewesen war, ein Mensch.
    Aber natürlich … Ich will jene bei mir haben, die ich liebe, hatte ich zu ihm gesagt, ohne zu wissen, warum diese Worte aus meinem Mund schlüpften, denn gedacht oder geplant hatte ich nichts mehr. Meine Intuition musste sie mir vorgegeben hatten – und hatte nicht Morpheus mir geraten, auf die Menschen zu vertrauen, die ich liebte? Diese Bitte hatte Angelo nicht auf die Spur locken können, da ich sie im Kontext der Verwandlung geäußert hatte. Meine Gefühle waren mein Köder für Angelo gewesen und gleichzeitig hatten sie mich vor dem

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