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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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doch mal … Ich hab dich gefilmt, oder? Erinnerst du dich etwa nicht mehr daran?«
    »Doch. So ungefähr.« Er hatte mich heimlich gefilmt, was mich nach wie vor störte, wenn ich darüber nachdachte, denn er hatte mich ausspioniert, ohne dass es zu etwas gedient hätte, denn das Ergebnis war nichtssagend gewesen. Er hatte mich sogar zusammen mit Angelo gefilmt. »Mit Angelo«, wiederholte ich meine eigenen Gedanken halblaut. Er hatte uns verfolgt wie ein Privatdetektiv, mit einer Kamera … um mich und einen hochgradig gefährlichen Mahr zu filmen …
    »Ich sehe schon, so langsam kommt wieder Bewegung ins Oberstübchen«, kommentierte Tillmann trocken. »Ich hab das Zeug genommen, um mich vor ihm zu schützen, damit er mich nicht bemerkt und mir nicht auf die Schliche kommt. Und da ich euch ziemlich oft filmen musste, um gutes Material zu sammeln, hab ich auch ziemlich oft was nehmen müssen. Tja, aus so etwas wird dann meistens eine Sucht.«
    »Und du hast nicht mal gutes Material zusammenbekommen!«, rief ich gequält. »Du hast dich völlig umsonst da reingestürzt!« Ich fand sein Handeln unglaublich und noch viel unglaublicher, dass die anderen es stillschweigend geduldet hatten. »Außerdem ist es trotzdem meine Schuld … es ist nur eine andere Variante von Schuld.«
    »Hey, du hast mir die Dinger nicht unter die Zunge geschoben, oder? Abgesehen davon war es gutes Filmmaterial, du weißt gar nicht, wie gut … Das hast du nur nicht mehr erkannt, als wir es dir zeigten. Wenn du dir den Zusammenschnitt jetzt anschauen würdest, würdest du Angst vor dir selbst kriegen, glaub mir. Ich hab ihn aufgehoben, er ist noch da. Willst du …?«
    Ich schüttelte hastig den Kopf. »Bloß nicht.« Angst vor mir selbst hatte ich genug, überlagert nur von meinem Abscheu mir selbst gegenüber. »Trotzdem hat es nichts genützt. Es war völlig umsonst!« Nun konnte ich das Weinen doch nicht mehr aufhalten.
    Tillmann hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Trial and error. Manchmal klappt’s, manchmal nicht. Ich glaub, er hat mich eh bemerkt und nur deshalb nichts gegen mich unternommen, weil er wusste, dass du zu ihm halten würdest.«
    Und weil ihm Tillmanns Aktionen sehr gelegen kamen, dachte ich bitter. Tillmann, Paul und Gianna hatten ihm mit der Filmaktion den Ball wieder zugespielt. Die anderen waren die Bösen, die mir mein Glück nicht gönnen wollten. In Wahrheit hatte Tillmann seine Gesundheit ruiniert, um mich aufzuwecken.
    »Das kann ich nie wiedergutmachen«, sagte ich, was sich als vernichtende Gewissheit in meinem Kopf manifestierte.
    »So ein Quatsch«, entgegnete Tillmann hart. »Komm runter von deinem Büßertrip, das hält man ja nicht aus.«
    Ich stellte meinen Blick noch ein bisschen klarer und ließ ihn über seine Unterarme wandern. Hatte er Einstiche? Ich besaß kaum Erfahrungen mit Drogen, doch ich hatte genügend darüber gehört und gelesen, um zu wissen, dass von Heroin niemand mehr richtig loskam. Die Mutter aller Drogen, aber auch die schlimmste. Was waren diese kleinen roten Punkte, Sommersprossen oder verheilte Narben von Spritzen? Ich konnte es nicht genau erkennen. Tillmann bemerkte mein Suchen und strich sich über seine linke Armbeuge.
    »Dein Bruder hat mir anfangs ab und zu eine Spritze gegen die Schmerzen gegeben, das ist alles. Ich bin nicht vollkommen leichtsinnig, Ellie.«
    »Schmerzen … war es so schlimm?«
    Tillmann lupfte die Bettdecke und streckte sein linkes Bein heraus. Es war bandagiert. »Nur in Kombination mit meinen Verletzungen und Brandwunden. Bisschen viel auf einmal.« Ja, und auch diese Blessuren hatte er sich meinetwegen zugezogen.
    »Also kein Heroin?«, fragte ich hoffnungsvoll.
    »Nein. Ich würde es niemals nehmen. Weißt du, warum? Ich glaub, es wirkt wie Tessa. Oder umgekehrt: Tessa wirkte wie Heroin. Das will man wieder haben, immer wieder. Ich hab sie zweimal erlebt, das ist schon einmal zu viel, aber ein drittes Mal – und ich wäre verloren gewesen. Was nicht heißt, dass ich mich nicht danach sehne …«
    Ich hatte es nur einmal erlebt, doch es hatte genügt, um den Wunsch nach einem zweiten Mal auszulösen. Vermutlich hatte Angelo auch deshalb ein leichtes Spiel gehabt – weil seine eigene Mutter ihm eine perfekte Vorlage geliefert hatte. Mir wurde so kalt, dass ich das Kissen von dem Bett, auf dem ich hockte, nahm und gegen meinen Bauch drückte.
    »Und was hast du stattdessen genommen?«
    »Och, von allem ein bisschen. Speed, LSD,

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