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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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nicht mir gehörte), bevor ich zögerlich an die Tür des Dachzimmers klopfte. Von drinnen kein Laut. Ich klopfte etwas lauter, bereit, umzudrehen und kehrtzumachen, falls Protest ertönte. Doch ich hörte weder Protest noch eine Aufforderung einzutreten.
    Obwohl ich mich vor dem drücken wollte, was ich jetzt erblicken würde, öffnete ich die Tür und schob mich umständlich ins Zimmer. Ich ließ meine Augen zunächst nur oberflächlich hin und her fliegen und dieses schnelle Scannen genügte, um festzustellen, dass jemand gründlich aufgeräumt hatte. Tillmanns Kleider waren wieder im Schrank verstaut, der Boden geschrubbt und vom Unrat befreit worden, die Bettwäsche gereinigt. Die Balkontür stand offen; eine leichte Brise streifte um meine nackten Knöchel, nicht mehr ganz so warm und schmeichelnd wie in den Wochen mit Angelo.
    Tillmann saß aufrecht auf seinem Bett, einen Teller Pasta zwischen den Beinen und seinen einst so feurigen Blick erwartungsvoll auf mich gerichtet, während er mit sichtlichem Appetit aß. Ich stellte meine Augen etwas schärfer.
    Auch er hatte seine Schmuddeligkeit abgelegt. Seine Haare waren immer noch wirr, aber offensichtlich gewaschen, er roch genauso gut wie früher, und obwohl er immer noch zu blass und zu schmal im Gesicht war, wirkte er wie jemand, der gerade ins Leben zurückkehrte und nicht mit aller Macht daraus entschwinden wollte. Er musterte mich ebenfalls und es machte mich so verlegen, dass ich zur Seite schaute.
    »Wow«, stellte er schließlich mit vollem Mund fest. »Du siehst so richtig scheiße aus.«
    Normalerweise hätte ich ihm sein Kissen um die Ohren geschlagen oder ihm einen verbalen Dämpfer verpasst. Aber seine flapsige Bemerkung traf mich zutiefst. Der Druck hinter meinen Augen verriet mir, dass ich den Tränen kaum ausweichen konnte, wenn ich das Ruder nicht sofort herumriss. Wahrscheinlich übertrieb er nicht einmal, sondern sagte die Wahrheit. Das war doch sein Lieblingsspiel: die Wahrheit sagen, schonungslos und unverblümt.
    »Das war nicht gerade das, was ich hören wollte«, murmelte ich und drehte mich wieder um, um abzuhauen.
    »He, Ellie, mach langsam, ich hab nur versucht, die Situation mit einer lockeren Bemerkung ein wenig zu entspannen, mehr nicht. Keine Panik!«
    »Seit wann legst du Wert darauf, Situationen zu entspannen?«, konterte ich in unserer guten alten Streitgesprächmanier, dankbar, dass er bereit war, den Druck herauszunehmen. Das war immerhin etwas Neues.
    »Na ja, man lernt mit der Zeit dazu. Du solltest trotzdem weniger heulen, deinen Augen zuliebe.«
    Seufzend wandte ich mich ihm wieder zu und schob das zweite Bett in seine Richtung, damit ich mich ihm gegenübersetzen konnte, während er seinen Teller auskratzte.
    »Wie geht es dir denn?«, fragte ich ihn schuldbewusst.
    »Ging schon besser.«
    Ich schluckte hörbar, bevor ich zum Reden ansetzte, und wusste schon jetzt, dass keiner meiner Sätze dem gerecht werden würde, was ich meinte. Doch versuchen musste ich es. Viel gab es ohnehin nicht zu sagen. Das war ja das Fatale an echten Entschuldigungen. Sie waren zu kurz.
    »Tillmann, es tut mir so leid, aufrichtig leid, dass du wegen mir … wegen mir drogenabhängig geworden bist, weil ich dich vergessen und mich nicht mehr um dich gekümmert habe, aber ich … ich …« Nein. Da gab es nichts zu erklären. Das würde er nicht verstehen können und es war auch gut so. Nur Deppen verstanden das.
    Tillmann hörte auf zu kauen und ließ seinen Löffel sinken, während seine Augenbrauen sich zusammenzogen und seine Miene immer skeptischer wurde.
    »Was? Du denkst, ich hab mit den Drogen angefangen, weil du mich vergessen hast?«
    Ich nickte. Er lachte brummig auf und beugte sich wieder über seinen Teller, um die letzten drei Nudeln aufzuspießen.
    »Nee. Ich hab dich echt gern, aber das hätte ich dann doch gerade noch so verschmerzen können.«
    »Ja, hättest du?«, fragte ich leicht pikiert, meine erst spontane Reaktion in diesem Gespräch und sie gefiel mir gar nicht. Ich war hier wahrlich nicht diejenige, die Ansprüche stellen durfte.
    »Ja, hätte ich, und ich glaub nicht, dass ich wegen so etwas jemals Drogen nehmen würde. Bringt ja nichts. Kannst den anderen nicht zwingen, dich zu mögen. Mit Drogen schon gar nicht.«
    »Aber warum denn dann? Einfach so?«
    Tillmann stellte den Teller auf den Nachttisch und unterdrückte einen Rülpser. Er schüttelte sich kurz.
    »Bah. Mein Magen spinnt immer noch. Ellie, überleg

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