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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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zu bitten, und hatte mir seinen Brief vorgelesen, damit Papas Worte mich trösteten, was schlimm genug war. Doch nun weinte er ebenfalls. Experiment gescheitert.
    »Ellie, Schwesterchen … irgendwann implodiert deine Nase, wenn du so weitermachst.«
    »Ich kann nicht aufhören.«
    »Weil du dir keine Chance gibst. Du kannst nicht dein Leben lang in diesem Zimmer bleiben. Dieses Einsiedlerdasein macht das, was geschehen ist, nicht besser. Hey, komm mal her …« Er rückte zu mir, zog mich aus meinem Kissen hoch und nahm mich in den Arm. »Wir haben es alle geahnt, ja, fast schon gewusst. Mama hat es gewusst, Gianna war sich beinahe sicher, ich mir sowieso. Wir hatten nur keine Gewissheit, keinen Beweis. Aber wie hätte er in diesem Hexenkessel je überleben können?«
    »Ich habe darin überlebt. Außerdem weine ich nicht nur, weil ich traurig bin. Ich bin auch sauer.« Mit der Faust schlug ich eine Kerbe in mein tränenfeuchtes Kopfkissen. »Wie konnte er das tun? Wenn er doch wusste, wie gefährlich es war? Wie konnte er mir diese Karte in den Safe legen und mich hierherlocken, nach Süditalien, wie konnte er mich mit seiner Nachfolge beauftragen? Und dann das mit Gianna … das … das war manipulativ! Findest du nicht? Ich bin wütend auf Papa, echt wütend, ich will ihm das alles an den Kopf werfen und gleichzeitig … wie darf ich überhaupt wütend auf ihn sein? Er ist nicht mehr da!«
    »Ach, Ellie …« Paul lächelte nachsichtig. »Ich bin eigentlich ganz froh, dass er Giannas Visitenkarte in den Safe gelegt hat. Er hat es ja nicht böse gemeint.«
    »Er hat mich in die Irre geführt!«, klagte ich vorwurfsvoll, als könne Paul etwas dafür. »Ich verstehe ihn nicht. Einerseits hat er gehofft, dass ich seine Nachfolge aus purem Trotz nicht antrete …«
    »Hattest du es denn vor?«, unterbrach Paul mich.
    »Nein. Ehrlich gesagt, nein. Mein erster Gedanke war, dass Papa nicht mehr ganz klar im Kopf ist, als ich seine Botschaft las.«
    »Siehst du. War also gar nicht so verkehrt.«
    »Aber warum dann diese Europakarte? Warum das dicke, fette Kreuz in Süditalien? Er musste gewusst haben, dass dort Mahre leben, zumindest Tessa und Angelo … Und warum kein Kreuz auf Santorin? Wo Morpheus lebt, der uns nichts tut und auf unserer Seite ist? Verstehst du das?«
    »Nein«, gab Paul zu. »Nein, das kapiere ich auch nicht. Vielleicht hat er Angelo für harmlos gehalten. Immerhin hast du das auch.«
    Ich schnaubte entrüstet. »Dann bleibt aber immer noch Tessa.«
    »Von der du sowieso wusstest. Okay, Ellie, ich stimme dir zu, es ist seltsam … Aber wir können ihn jetzt nicht mehr danach fragen. Vielleicht ist die Karte versehentlich im Safe gelandet.«
    »Versehentlich? Und gleichzeitig mauert er den Schlüssel bei dir ein?« Ich verschluckte mich vor Empörung und musste husten. Paul klopfte mir auf den Rücken wie Colin, wenn er versuchte, Louis zu beruhigen.
    »Er besaß sicherlich einen Zweitschlüssel und hat hin und wieder Dinge in den Safe gelegt und wieder rausgeholt. Das mit dem Schlüssel in meiner Mauer war doch auch nur ein Trick«, sagte er besänftigend. »Er wollte, dass du dich bei mir aufhältst, und zwar mehr als nur ein paar Stunden.«
    »Schon wieder manipulativ. Bah«, moserte ich schniefend. Ach, es tat beinahe gut, sauer auf Papa zu sein. Es ließ die Trauer ein Stück von mir wegrücken. Trotzdem: Das mit der Karte leuchtete mir nicht ein. Ganz und gar nicht.
    »Sag mal, Ellie, woher wusstest du eigentlich, dass du seine Augen verbrennen musstest?«, brachte Paul mich geschickt auf andere Gedanken. Sie drehten sich ohnehin ergebnislos im Kreis.
    »Ich habe es nicht gewusst«, gestand ich. Ich wollte mich nicht mit fremden Federn schmücken, das hatte ich nicht verdient, zumal Morpheus mir in seinem zweiten Anruf sogar einen Hinweis gegeben hatte. Augen, hatte er gesagt. Er musste gewusst haben, dass Angelos Macht in seinen Augen saß. Aber ich hatte seinen Worten keine Bedeutung beigemessen, gar nicht erst versucht, sie zu interpretieren. Oder hatte Morpheus gar meine Augen gemeint? Wollte er mich vor dem warnen, was ich durch meine eigenen Augen als schön empfand? Ich schüttelte beschämt den Kopf. »Nein, bis zur letzten Sekunde wusste ich es nicht. Dann wurde mir auf einmal klar, dass ich das zerstören muss, was ich an ihm so geliebt habe. Das, womit er jagt.«
    Paul pfiff anerkennend durch seine Zähne. »Gute Intuition.«
    »Aber sie nützt nichts! Gar nichts! Du konntest dich

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