Dornenkuss
Haschisch, Kokain. Am Schluss vor allem Kokain. Aber für den Showdown hab ich LSD genommen – künstliche Träume, das wolltest du doch, oder?«
Ich hob verwirrt den Kopf. Tillmann grinste mich schief an.
»Auf diese Weise konnte mir Angelo nichts antun! Ich war die ganze Zeit hinter dir, bin dir gefolgt. Deshalb hast du es mir auf den Küchentisch gelegt und nicht weggeworfen. Weil du wolltest, dass es mich schützt.«
»Ich weiß es nicht«, offenbarte ich. Ich konnte mich nicht daran erinnern. »Ich hab nur noch aus dem Bauch heraus gehandelt. Ich durfte nicht eigenständig denken, sonst wäre er mir auf die Spur gekommen. Er konnte meine Gedanken lesen. Aber dass du meinetwegen solche Probleme hast, das … das ist …«
»Hey, jetzt reicht es. Fehlt ja nur noch, dass du dich auspeitschst. Wenn ich ehrlich bin, hast du mir indirekt sogar einen Gefallen damit getan.«
»Wie denn das?«, kiekste ich fassungslos.
»Durch dich hatte ich einen triftigen Grund, das Zeug einzuschmeißen. Vielleicht hab ich nur nach einem solchen Grund gesucht. Und vielleicht hätte ich es auch ohne ihn getan, ein bisschen später … Ich bin mit der ganzen Situation nicht mehr klargekommen.« Tillmanns Mund bekam jenen scharf gezeichneten, ernsten Zug, der ihn sofort um Jahre älter aussehen ließ und den ich trotzdem an ihm mochte. »Jetzt hab ich die Kacke am Hals und muss sehen, wie ich mich wieder davon loskriege. Außerdem … außerdem … oh Mann, Ellie.« Er versteckte sein Gesicht in seinen Händen und knetete sich die Wangen. »Ich hab wirklich Scheiße gebaut, viel schlimmer als du, tausend Mal schlimmer, und wenn du davon erfährst, dann …«
»Wovon redest du?« Ich zog seine Hände runter, damit ich ihn besser verstehen konnte, doch er sah mich nicht an. »Welche Scheiße?«
»Ich hab einen riesengroßen Fehler gemacht. Ich wollte dir eigentlich nix davon erzählen, weil ja alles doch noch gut gegangen ist, aber ich merke gerade, dass ich es nicht kann, und es frisst mich sowieso auf … seit Wochen schon.« Er rückte ein Stück von mir weg, als würde ich ihn schlagen, sobald ich mehr erfuhr. Wenn er sich so umsichtig verhielt, hatte es seine Gründe. Vorsichtshalber setzte ich mich auf meine flachen Hände, bevor ich ihn auffordernd anschaute.
»Ich muss es dir erzählen. Stimmt’s? Ja, okay, ich muss …«
»Dann tu es endlich!«
Tillmann schluckte trocken. »Diese Europakarte von deinem Dad …«
»Ja?« Wusste Tillmann etwa mehr darüber als ich? Konnte das sein – mein Vater hatte Tillmann eingeweiht und er hatte es die ganze Zeit für sich behalten?
»Das Kreuz in Süditalien. Es … es stammt nicht von deinem Dad. Es stammt von mir. Ich hab es da reingemalt.«
»Was?« Meine Stimme überschlug sich vor Verblüffung. »Aber wie … wie … Wie konntest du das tun? Und warum hast du es gemacht?«
»Erinnerst du dich noch an den Tag, an dem wir zusammen aus Hamburg in den Westerwald gefahren sind? Paul, du und ich? Und du mir gesagt hast, dass du den Safeschlüssel gefunden hast? Ellie, du warst damals so mies drauf, so unglücklich und traumatisiert und neben der Spur und ich wollte doch dringend nach Tessa suchen. Deshalb hab ich dir den Schlüssel aus der Tasche geklaut, während du geschlafen hast, und den Safe geöffnet. Du wolltest es ja erst am nächsten Tag tun. Bei euch einzubrechen, ist übrigens echt kein Problem. Ihr solltet mal eure Türen besser sichern … Ist ja gut, ich bleibe beim Thema.« Tillmann hob die Hände, als wolle er mich in Schach halten, als ich ihn warnend ansah. »Im Safe waren nur diese dämliche Visitenkarte und die Europakarte. Ich hab gedacht, ich seh nicht recht …«
»Und das Geld. Geld war auch noch da. Jede Menge!«
Tillmann winkte ab. »Interessierte mich nicht. Ich wollte Infos. Den Brief hab ich nicht geöffnet, das war mir zu privat, aber ich fürchtete, wenn du siehst, dass keine echten Informationen im Safe liegen, unternimmst du gar nichts und kümmerst dich nur um deinen Bruder. Also hab ich einen Stift genommen und Süditalien markiert, möglichst auffällig, weil ich von dir wusste, dass Tessa dort zu Hause war. Denn ich wollte mit dir und Colin hinfahren. Ich hab schon kurz danach kapiert, dass das scheiße war, aber andererseits … es hat funktioniert …«
»Verdammt noch mal, wer hat mich hier eigentlich nicht manipuliert?«, brüllte ich, packte den Teller vom Nachttisch und schmetterte ihn haarscharf neben Tillmanns Kopf gegen die Wand.
Weitere Kostenlose Bücher