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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Frühjahr hatte ich diese Geruchskombi aus Schweiß, zu viel Aftershave und künstlicher Minze jeden Abend um 17 Uhr zwei Stunden lang ertragen müssen.
    »Jemand zu Hause? Ich seh dich doch! Lass deinen guten alten Lars nicht warten …«
    Lars, vermeldete mein Hirn endlich entwarnend. Es ist Lars. Nur Lars. Motorik wieder aktiviert, atmen erlaubt. Ich konnte nicht sagen, ob ich ihn verdrängt oder vergessen hatte. Jetzt erst erinnerte ich mich an seine Anwesenheit. Ja, er war dabei gewesen. Mein verhasster Hamburger Karatetrainer, den Colin mir im Frühjahr organisiert hatte, um mich auf den Kampf vorzubereiten (zwecklos, wie ich fand) und meinen Zorn weiter zu schüren. Letzteres hatte vortrefflich funktioniert, denn Lars war ein frauenfeindlicher Proll, wie er im Buche stand. Und er hatte mich gestalkt. Offenbar tat er es immer noch.
    Ich öffnete fahrig die Verriegelung und trat mit vor dem Bauch verschränkten Armen und weichen Knien zu ihm auf die Terrasse. Mein Zittern konnte ich nicht unterdrücken; sobald ich vor ihm stand, wurde es noch schlimmer, was mir gar nicht passte. Zeichen der Schwäche nutzte Lars sofort aus. Trotzdem ging ich ihm voraus die Treppe hinunter auf die Straße und einige Meter weit weg, bis wir frei sprechen konnten, ohne die anderen zu wecken.
    »Mann, erschreck mich doch nicht so!«
    »Sorry, war ’ne spontane Aktion. Ich fahr morgen ab. Ich wollte dich schon die ganze Zeit sehen, aber deine Mutti meinte, du wärst noch nicht so weit und ich solle dich in Ruhe lassen und …« Ein heftiges Frösteln, das mich für eine Millisekunde packte und schüttelte, ließ ihn innehalten. »Was ’n los, Sturm?«
    »Ich dachte, dass … dass … mach so was nie wieder, Lars, ehrlich! Du kannst mir doch nicht auflauern!«
    »Du dachtest, dass es die blonde Drecksau ist? Sturm, du hast einen schlechten Männergeschmack, das muss ich dir mal sagen. Was hast du an dieser Lusche gefunden? Der hat ja nicht mal Haare auf der Brust.«
    »Das haben die –« Das haben die Mahre allgemein nicht, hatte ich entgegnen wollen. Aber wusste Lars überhaupt alles über sie? »Hör mal, Lars, ist dir eigentlich klar, was da oben in der Sila passiert ist? Was das Ganze bedeutete?«
    »Logen weiß ich das.« Logen. Lars’ Variante für logisch. Er fand es cool, ich nicht. »Der war von so ’ner Art Sekte und wollte dich kapern, stimmt’s? Totale Gehirnwäsche. Hab ich mal im Fernsehen gesehen, da gibt’s doch diese … äh …. Scientology oder wie sie heißen, ach, egal, es gibt auch noch andere …« Er räusperte sich und spuckte neben meinen Füßen auf den Boden.
    Ich machte einen Schritt zur Seite und blinzelte ihn streng an. »Eine Sekte. Mensch, das war keine Sekte.«
    »Jo, kräht doch kein Hahn nach, der Typ wollte dich jedenfalls haben und benutzen, und echt, Sturm, ich hatte dir ’nen besseren Geschmack zugetraut, wenn du schon den armen Blacky alleine lassen musst. Dieser Typ war nix für dich, aber der andere von euch, der mit der halblangen braunen Matte …« Er wedelte mit seinen behaarten Pranken neben seinen Ohren herum. »Der mit den braunen Haaren und den blauen Augen. Der ist in Ordnung. Der wäre was für dich.«
    »Lars, das ist mein Bruder.«
    »Ja. Weiß ich doch. Ich meine ja nur … der ist okay. Aber bitte nicht so ein Frauenversteher … Das sind die schlimmsten. Bevor du dich noch mal an so einen ranschmeißt, nimmste lieber den guten alten Lars. Kapiert?«
    »Kapiert«, wiederholte ich schwach. »Du hast also nichts verstanden. Warum wundert mich das nicht?«
    Lars packte mich an den Schultern und hob mich ein Stückchen hoch, sodass ich in seine eng stehenden Gorillaaugen gucken musste. Die Überdosis Gel, die er seinen Haaren gegönnt hatte, kitzelte süßlich in meiner Nase.
    »Ey, ich hab vielleicht nur ’nen Hauptschulabschluss und bin ein einfacher Handwerker, aber das da oben …« Er wackelte mit den Brauen, um auf seine niedrige Stirn zu deuten. »Das funktioniert wie geschmiert. Solche Sackgesichter gibt’s überall und wird’s immer geben, ich kenn diese Schlaffis, die haben selbst nichts zu bieten und nehmen es sich dann von anderen, weil sie total hohl und leer sind. Warum haste mich eigentlich nicht angerufen, damit ich diesem Troubadix mal ordentlich die Fresse poliere, hm? Na, wenigstens hab ich dich jetzt auch mal nackt gesehen. Geiler Hintern. Hatte die beste Sicht von allen.« Lars lachte dreckig und ließ mich zurück auf den Boden fallen, um einen

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