Dornenliebe
du?«, fragt Luna und lacht. »Ich bin zwar auch nicht gerade ein Fan von ihr - dazu hat sie mich schon zu oft angezickt. Aber verstecken müssen wir uns nicht.« Dann wird sie plötzlich ernst. »Oder? Warum machst du das, Jaron, was ist mit ihr?«
»Katharina steht auf Falk«, antwortet er knapp. »Aber er nicht auf sie. Deshalb ist sie auch so komisch zu dir. Es ist besser, wenn sie uns nicht zusammensieht.«
Als Katharina um die Straßenecke verschwunden ist, nimmt Jaron Luna leicht am Ellbogen und führt sie in den Haupteingang eines Kaufhauses, in dem vorweihnachtlichen Einkaufsgewühl können sie gut untertauchen. Sie stromern ein wenig durch die Süßwarenabteilung, dann blickt Luna auf ihr Uhr und bekommt einen Schreck. Es ist spät geworden, sie muss unbedingt nach Hause, ehe Falk zurückkehrt! Jaron schlägt sofort den Weg zurück zu seinem Auto ein.
»Du solltest auch den Führerschein machen«, sagt er. »Wenn du ein Auto hast, bist du frei. Du kannst überall hinfahren, und wenn er dich verfolgt, riegelst du von innen ab, und niemand kann dir etwas anhaben.«
»Den Führerschein habe ich«, korrigiert Luna. »Aber für ein Auto fehlt mir das Geld.«
»Mir eigentlich auch.« Jaron lacht leise. »Aber mit dem BAföG und meinem Nebenjob geht es gerade so. Wenn du willst, kann ich ja mal in meinem Laden fragen, ob die noch jemanden brauchen können.«
Luna nickt, ohne sein Angebot anzunehmen. Einen Job haben, eigenes Geld verdienen, auf niemanden angewiesen sein, nicht auf die Eltern, nicht auf Falk. Frei sein. Beinahe wird ihr schwindlig vor Sehnsucht danach.
Doch plötzlich ist Falk wieder gegenwärtig, der dies nie
zulassen würde, mit hastigen Worten bittet sie Jaron, sie zurückzubringen, nach Hause zu Falk.
»Mach ich«, sagt Jaron, und während sie nebeneinander zu seinem Wagen gehen, sieht sie ihn immer wieder verstohlen von der Seite an, spürt das leise, köstliche Flattern in ihrem Bauch und wehrt sich nicht dagegen, nicht jetzt. Nachher kommt die Wirklichkeit sowieso, aber jetzt gibt es nur Jaron und sie, es muss gar nichts zwischen ihnen passieren, es genügt, dass er da ist, dass er so ist, wie er ist, dass er dieses zarte, schöne Gefühl in ihr auslöst, immer und immer wieder, und sie auch in ihm, ganz sicher ist sie sich dessen, er muss es nicht noch einmal sagen, sie weiß es, spürt es auch so.
Als sie wieder bei seinem Auto sind, schließt er auf, beeilt sich, schnell nach ihr einzusteigen, es ist fast ganz dunkel und sie stehen zwischen zwei Straßenlaternen, von denen eine nur ein spärliches Licht abgibt und die andere ausgefallen ist, niemand kann sie sehen. Als hätten sie beide es verabredet, als würde Falk nicht spätestens am Abend auf sie warten, klappt Jaron die Sitze nach hinten, er muss sich über Lunas Körper beugen, um den Hebel zu erreichen, dann nimmt er sie in die Arme, behutsam, als könnte er sie verletzen, seine Wange streicht sachte über ihre, und als er merkt, dass sie nicht zurückweicht, tastet er mit den Lippen von Lunas Hals über ihr Kinn bis zu ihrem Mund, und der Kuss fühlt sich an, als hätte es nie etwas anderes gegeben, nicht für ihn, nicht für sie, es passt einfach alles.
»Wir sollten das nicht tun«, murmelt er, ohne mit dem Küssen aufzuhören. »Es ist leichtsinnig, naiv. Gefährlich. Aber ich kann nicht anders, Luna.« Er hebt seinen Kopf und tastet mit seiner Zungenspitze nach ihrer. »Ich kann nicht anders.«
13.
L una weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, als sie sich endlich voneinander lösen.
»Ich muss los«, flüstert sie, und Jaron nickt, sagt nicht, dass sie doch jetzt mit ihm zusammen sei, dass Falk keine Rolle mehr spiele. Er lässt die Rückenlehnen wieder hochklappen und will den Motor starten, hält inne, um Luna noch einmal zu küssen, dann fährt er los. Unterwegs sagt er ihr seine Handynummer so oft vor, bis sie sie auswendig weiß, damit sie ihn erreichen kann, meint er. Den Rest der Fahrt schweigen beide, Luna hat das Gefühl, noch nie in ihrem Leben so glücklich gewesen zu sein wie jetzt, glücklich und vollkommen verwirrt; jetzt sitze ich hier mit Jaron, denkt sie, und hinten in seinem Auto sind die Sachen für Falk, gemeinsam haben wir sie gekauft, um ihm eine Freude zu machen, ihn zu besänftigen, schlimmer noch: um ihn zu täuschen. Falk soll nicht merken, was heute geschehen ist, darf es auf keinen Fall mitbekommen, Luna steht jetzt zwischen zwei Männern, kann den einen nicht verlassen, ohne Schaden
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