Dornteufel: Thriller (German Edition)
NYPD interessierte sich sowieso keiner mehr für den Fall Moira Stern. Ihr Leichnam, das Beweisstück schlechthin, war verbrannt und die Asche nach Frankreich verschickt worden.
Er spielte seine Ankunft in Paris ein paarmal gedanklich durch, und das Überraschungsmoment erschien ihm immer weniger sinnvoll. Was, wenn er sie durch sein plötzliches Erscheinen so vor den Kopf stieß, dass sie auf keinen Fall mit ihm zusammenarbeiten wollte? Doch ein Minimum an Kooperationsbereitschaft war unerlässlich. Ferland baute darauf, dass sie wenigstens so tun würde, als interessierte es sie, wie und warum ihre Schwester ums Leben gekommen war.
Am Abend vor seinem Abflug suchte er ihre Telefonnummer heraus und rief sie an. Es dauerte eine Weile, bis sie abhob. Schon am Tonfall, mit dem sie sich meldete, konnte er merken, dass es ihr nicht gut ging. Sein Anruf hatte ihr zu ihrem Glück bestimmt gerade noch gefehlt.
»Es geht noch mal um Ihre Schwester«, sagte er, nachdem er sich vorgestellt und sie begrüßt hatte. »Es sind noch Fragen offen. Ich muss dringend mit Ihnen reden.«
»Nur zu. Fragen Sie.«
»Nicht am Telefon.«
»Ich bin in Frankreich, Detective. Nicht in New York.«
»Und ich komme morgen Vormittag um elf Uhr zehn in Paris an. Wir können uns am Nachmittag oder am Abend irgendwo treffen.«
Er hörte sie schwer atmen. Über Tausende von Kilometern hinweg spürte er ihren Widerwillen und ihre nicht sehr freudige Überraschung. »Sie lassen nicht locker, was?«
»Nein.«
»Ich habe gerade wahnsinnig viel zu tun.«
»Und ich habe nichts anderes mehr zu tun, als diesen Mord aufzuklären.«
»Sie kommen … auf eigene Rechnung, oder?«
»Spielt das eine Rolle für Sie?«
»Eigentlich nicht. Es geht eh alles den Bach runter.«
»Was meinen Sie damit?«
»Sie rufen zu einem ungünstigen Zeitpunkt an. Ein guter Freund von mir … Ich habe erst vor wenigen Tagen erfahren, dass er gestorben ist.«
»Der Tod scheint gerade Ihr ständiger Begleiter zu sein«, merkte er eher mitfühlend als sarkastisch an. »Wie ist er ums Leben gekommen?«
Er hörte sie wieder schwer atmen. »Er … wurde in einem Park gefunden. Die näheren Umstände sind noch unklar.«
»Das tut mir leid. Hatte er … irgendwas mit Ihrer Schwester zu tun?«
»Ich weiß gar nichts mehr. Er war Journalist. Und ich … hatte ihn auf eine Spur gesetzt. Ich habe vertrauliche Informationen weitergegeben, und nun ist er tot.«
»Glauben Sie, dass da ein Zusammenhang besteht?«
»Was denn sonst? Er hat sich doch nicht einfach so an einem Baum aufgehängt. Nicht Paul! Niemals!«
»Wir müssen wirklich reden.«
»Ich bin morgen um neunzehn Uhr im L’Hôtel du Nord am Quai de Jemmapes.« Sie wiederholte die Adresse, diesmal langsamer – für dumme Amerikaner sozusagen. »Nehmen Sie sich ein Taxi, dann verfehlen Sie es nicht«, setzte sie hinzu.
P ARIS , F RANKREICH
Nie wieder fliegen! Mit diesem Vorsatz taumelte Ryan Ferland nach seiner Atlantiküberquerung aus dem Flugzeug … Die Maschine mit den engen Sitzplätzen war so voll gewesen, dass er schon befürchtet hatte, dass einige Passagiere stehen müssten. Beim Start hatte ihn minutenlang ein höllisch lautes Geräusch, vielleicht eine lose Schraube im Triebwerk, wie sein Sitznachbar vermutet hatte, bewusst gemacht, dass er jetzt und hier noch nicht bereit war zu sterben. Und dabei hatte er gedacht, mit seiner Diagnose flöge es sich vollkommen entspannt. Nachdem der Sitznachbar seine beunruhigende Vermutung ausgesprochen hatte, war der Mann fast augenblicklich eingeschlafen. Gegen sein Schnarchen und Grunzen hatten auch die Ohrstöpsel nicht geholfen. Und die zwei »Mahlzeiten«, die Ferland vorgesetzt worden waren, hatten ihn an die Spiel-Lebensmittel im Kaufmannsladen seiner Großnichte erinnert. Sollte er je wieder nach New York zurückkehren wollen, würde er sein Rückflugticket verscherbeln und sich eine Kabine auf der Queen Mary II buchen.
Doch erst mal war er hier: in Paris, der Stadt der Liebe und in seinem Fall, so hoffte er, ein Ort der Erkenntnis. Er nahm sich ein Taxi und ließ sich zum Hotel am Fuße des Montmartre bringen. Wozu noch sparen? In seinem Zimmer angekommen, legte er für zwei Stunden die Füße hoch, woraufhin er sofort einschlief. Als ihn der Weckruf seines Handys hochschrecken ließ, war ihm kalt. Ferland duschte unter einem sparsam sprühenden Duschkopf, zog sich um und machte sich langsam auf den Weg zum verabredeten Treffpunkt.
Die Bar, die Rebecca
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