Dornteufel: Thriller (German Edition)
ansetzen könnte. Wenn nur diese Tränen nicht wären.
»Wie gut kannten Sie Moira?«
»Wir waren allerbeste Freundinnen.«
»Wann haben Sie zuletzt mit ihr gesprochen?«
Sie schluchzte auf. »O Gott. Das war, als ich in Vegas gewesen bin. Wir haben telefoniert. Es ging ihr nicht gut, das habe ich gleich gemerkt. Sie war deprimiert.«
»Hat sie gesagt, weshalb?«
»Sie hatten ihr einen Job bei Val Walker zugesagt. Das ist ein New Yorker Modelabel. Das war seit Langem mal wieder ein anständiger Auftrag für sie. Aber dann hat Tony es abgesagt und stattdessen Meghan hingeschickt.«
»Warum das?«
»Tony ist ein Arsch.«
»Es muss doch einen Grund dafür gegeben haben, dass er sich umentschieden hat.«
»Der Kunde hat es sich angeblich anders überlegt. Moira hatte Probleme mit ihrer Haut«, vertraute Svetlana ihm an. »Trockene Haut, Rötungen … Meistens hat man es nicht gesehen. Sie hat es geschickt abgedeckt. Doch dann wurde es schlimmer. Vielleicht war es auch einfach nur Panik. Sie hat alles Mögliche dagegen ausprobiert, aber nichts hat so richtig geholfen.«
»War sie in letzter Zeit anders als sonst? Nervös? Hatte sie besonderen Stress, oder hatte sie vor irgendetwas Angst?«
Svetlana schien darüber nachzudenken. »Die große Frage ist: Löst der Stress die Hautprobleme aus oder die Hautprobleme den Stress?«
»Ich meine eher, ob da was anderes war außer ihrer Haut, das ihr Sorgen gemacht hat.« Verdammt, dachte Ferland, das Mädchen hatte sich sechs Stockwerke in die Tiefe gestürzt.
»Sie hat nichts gesagt. Aber sie hat auch nicht mehr gearbeitet, und sie wollte nicht mehr auf Partys gehen. Und nach ihrer Rückkehr hat sie sogar mir einmal abgesagt. Sie meinte, sie hätte keine Zeit, mich zu treffen. Aber was sollte sie schon groß vorhaben, ohne einen Job? Ich hab ihr versprochen, sie jeden Tag anzurufen, wenn ich unterwegs bin, aber dann war so viel los …« Sie versuchte, die neuerlich aufsteigenden Tränen wegzublinzeln, aber sie quollen aus ihren rot geweinten Augen und liefen über die Wangen ihrer makellos glatten Haut.
Ferland wartete einen Moment ab und widmete sich seinem Mr. Crunch -Sandwich. Als er auf der einen Seite hineinbiss, fiel der Belag auf der anderen heraus. »Was heißt ›nach ihrer Rückkehr‹?«, fragte er, als der Tränenstrom wieder versiegt war.
»Moira ist eine Weile in Paris gewesen. Sie hat ihre Schwester besucht und wollte sehen, ob sie dort einen Job bekommt.«
»Hat es geklappt?« Ferland versuchte, das Bild der Toten mit der Vorstellung eines Models in Einklang zu bringen.
»Sie hat mir kaum was darüber erzählt. Ich weiß nur, dass sie später in Paris in einer Jugendherberge gewohnt hat. Ich vermute, sie hat sich mit ihrer Schwester gestritten. Es würde zumindest passen.«
»Wieso?«
»Moiras Erzählungen nach ist das eine eiskalte, eingebildete Karrierefrau. Aber das waren nur ihre Worte; ich kenne die Schwester nicht.«
Ferland nickte. Irgendwie gefiel ihm diese Sichtweise. Das war sicherlich kein netter Charakterzug von ihm. Aber mit Nettigkeit kam er nicht weiter. »Was passierte, als Moira zurückkam?«
»Sie hat alle Kontakte abgebrochen und sich immer mehr zurückgezogen.«
»Haben Sie sie kurz vor ihrem Tod gesehen?«
»Wie gesagt, ich war viel unterwegs … Unser Job ist hart. Jede muss sehen, wo sie bleibt.«
»Waren Sie überrascht, als Sie hörten, dass sie sich umgebracht hat?«
»Also … das war schon krass. Dass sie das getan hat. Ich wollte ihr ja helfen. Aber dann … war es zu spät.« Sie blickte irritiert auf ihr Handy, das sie neben sich auf die Tischplatte gelegt hatte. »O Gott, nein!«
»Was ist los?«
»Ich hab ganz vergessen, dass ich um fünfzehn Uhr bei einem Casting sein muss. Es ist schon zwanzig vor.« Sie kramte in ihrer überdimensionalen Handtasche herum und zog einen Spiegel heraus. »Wie sehe ich jetzt bloß aus!«
»Sie sehen großartig aus«, log Ferland. »Die roten Augen sind doch gleich wieder weg.«
»Echt?« Sie wischte sich vorsichtig über das nasse Gesicht und stand auf. Dann schlüpfte sie in ihren Parka. »Danke auch fürs Mittagessen.« Svetlana warf ihm noch eine Kusshand zu und verschwand mit geschulterter Umhängetasche nach draußen.
Ferland sammelte die Reste zusammen, die aus seinem Sandwich auf das Tablett gefallen waren, und steckte sie sich gedankenverloren in den Mund. Moira Stern hatte ihre Schwester in Paris besucht und sich dort angeblich mit ihr gestritten. Er wüsste
Weitere Kostenlose Bücher