Dornteufel: Thriller (German Edition)
schon was gegessen. Aber durstig bin ich.«
»Möchtest du von dem grünen Tee?«
War da eine seltsame Anspannung zwischen ihnen zu spüren?, dachte Julia und erwiderte: »Hast du was Kaltes – eine Cola oder so?« Im selben Moment fiel ihr wieder ein, dass Sonja nie Cola trank. Auch wenn ihr eigenes Leben komplett auf den Kopf gestellt worden war, ihre Freundin hatte einfach so weitergemacht wie immer, rief Julia sich ins Gedächtnis.
»Ich habe Wasser da und Bier«, bot Sonja an.
»Seit wann trinkst du Bier? Aber ich nehme eins, danke.«
»Mein Bruder war gestern hier«, antwortete Sonja eher widerstrebend.
Also kein neuer Freund. Auch hier also keine Veränderung. Eine ganze Weile tauschten sie nur Belanglosigkeiten aus und schienen sich gegenseitig zu taxieren. Dann gab Julia sich einen Ruck und erzählte, was sie in den letzten Tagen erlebt hatte. Über das, was ihr in Indien bei Serail Almond und auf ihrer Flucht passiert war, hatte sie Sonja im Wesentlichen schon am Telefon berichtet. Es würde noch etwas dauern, bis sie im Detail darüber sprechen konnte. Das, was sich in Wiesbaden beim Bundeskriminalamt zugetragen hatte, war für Sonja noch neu und außerdem weniger mit emotionalem Sprengstoff angereichert. Julia konnte immer noch nicht von Robert Parminski und den anderen in dem geheimen Labor berichten, ohne dass ihr die Tränen in die Augen traten.
Sonja hörte ihr konzentriert zu und nickte nur ab und an.
»Was mir fehlt, sind Beweise«, schloss Julia nach einer halben Stunde frustriert. »Im Grunde habe ich nichts. Gar nichts. Ich konnte nicht einmal mit dem Handy ein Foto von dem Labor machen. Das findet das BKA unglaubwürdig. Im Grunde steht jetzt mein Wort gegen das der Leute von Serail Almond.«
»Warum solltest du dir das ausdenken? Und was ist mit dem Überfall auf dich in dem Hotel in Kolkata? Gibt es dafür keine Beweise?«
»Ein umgekipptes Frühstückstablett, Teeflecken auf dem Teppich und ein vorgetäuschter Anruf aus dem Generalkonsulat: Das ist alles, was ich habe. Die Waffe, mit der Gallagher mich bedroht hat, ist seltsamerweise auch nicht mehr da. Ich habe sie damals einem Polizeibeamten gegeben, und dann war sie plötzlich verschwunden … Eine Rezeptionsangestellte des Taj Bengal erinnert sich sogar, dass mich jemand sprechen wollte, der sagte, er sei vom Generalkonsulat. Es hatte zu der Zeit aber niemand von dort angerufen. Als einziger Beweis dafür, dass ich die ganze Zeit über verfolgt wurde, taugt das herzlich wenig. Außer mir hat im Hotel übrigens niemand die Typen gesehen.«
»Kaum zu glauben«, sagte Sonja düster. »Ich meine … dass diese Leute, wenn es denn wirklich so war, damit durchkommen werden.«
»Wenn es denn wirklich so war?«, wiederholte Julia ungläubig und richtete ihren Oberkörper auf.
Sonjas Ohren färbten sich rot. »Das alles ist wirklich schwer zu glauben. Ich meine, es gibt ja keine echten Beweise. Und Stefan sagt …«
»Du hast mit ihm darüber geredet?«, fiel Julia ihr ins Wort. Sie war fassungslos: Die eigene Freundin schien sie für eine Lügnerin zu halten und unterhielt sich auch noch mit dem Bruder darüber!
»Ich hab die Geschichte mit dir am Telefon erwähnt, weil ich so aufgebracht und besorgt war. Er kam dann extra zu mir, um mit mir darüber zu sprechen.«
Verständlich, dass sie ihn da nicht abgewiesen hatte, dachte Julia. Sonja war nicht gerade daran gewöhnt, dass sich ihr Bruder allzu sehr für sie und ihre Anliegen interessierte. Trotzdem, es war ein Vertrauensbruch, der Julia schmerzte. »Ich hatte dich gebeten, nicht mit ihm darüber zu reden. Er sollte nicht einmal wissen, dass ich für Serail Almond arbeite.«
»Aber warum denn nicht? Ihr hattet doch gar nichts miteinander zu tun.«
»Aber du weißt, dass dein lieber Bruder Vorstandsmitglied von Serail Almond ist, oder? Das ist dir doch bekannt?«, entgegnete Julia böse.
»Sei bloß nicht so sarkastisch. Das ist auch für mich nicht einfach, wenn du plötzlich aus Indien anrufst und mich um Hilfe anflehst, und anschließend höre ich tagelang nichts von dir und kann dich nicht erreichen. Als ich deine alte Nummer probiert habe, ging auf einmal jemand ran, der nur Indisch gesprochen hat … oder was weiß ich. Was sollte ich da denken? Dass du tot bist?!«
»Ich hatte dich gebeten, nicht darüber zu reden«, wiederholte Julia enttäuscht.
Doch irgendwie verstand sie auch das Verhalten ihrer Freundin. Sonja hatte seit jeher wenig Kontakt zu ihrer Familie.
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