Dornteufel: Thriller (German Edition)
sagen haben, gehe ich wieder.«
»Lassen Sie mich raten: Monsieur Wagenknecht soll etwas für Sie tun, was nicht an das Licht der Öffentlichkeit geraten darf? Und es hat mit der heutigen Krisensitzung zu tun.«
»Erstens weiß ich von keiner Krise, und zweitens ist Monsieur Wagenknecht ein uralter Freund von mir, noch aus Schulzeiten, den ich eingeladen habe.«
»Ein Schulfreund?«, fragte Paul spöttisch.
»War das alles?« Almond wirkte schon wieder sehr selbstsicher.
Paul sah seine Felle davonschwimmen und wechselte das Thema. »Ich suche nebenbei auch noch nach der Ingenieurin, die in Ihrem Forschungszentrum in Indien gearbeitet hat. Hat sie sich wieder eingefunden?«
Almond starrte ihn verblüfft an.
»Julia Bruck ist ihr Name.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie überhaupt reden«, entgegnete Almond, aber seine Augen flackerten nervös.
Erwischt! , dachte Paul. »Sagen Sie mir lieber gleich, was mit Julia Bruck los ist, damit ich es in meinem Artikel über Serail Almond auch richtig darstelle.«
»Das ist Zeitverschwendung, Monsieur … Renard? Gehen Sie freiwillig, oder soll ich Sie aus dem Haus hier entfernen lassen?«
18. Kapitel
H AMBURG , D EUTSCHLAND
Julia kam um zweiundzwanzig Uhr siebenundvierzig mit dem ICE aus Frankfurt am Main in Hamburg an. Nach ihrer Ankunft in Deutschland hatte sie zwei Tage in Wiesbaden beim Bundeskriminalamt zugebracht. Das Generalkonsulat in Kolkata hatte dies organisiert. Zwei Tage, die von endlosen Fragen und dramatischen Erinnerungen geprägt gewesen waren, ohne dass Julia den Eindruck gewonnen hatte, das BKA würde etwas gegen das Forschungszentrum von Serail Almond unternehmen. Doch jetzt, in Hamburg angekommen, fielen der Ärger und die Anspannung ein wenig von ihr ab.
Sie stieg am Dammtor-Bahnhof aus dem Zug und nahm sich ein Taxi, das sie in die Dorotheenstraße im Stadtteil Winterhude brachte. Während der Fahrt überlegte sie, wie sie Sonja alles sagen sollte und wie ihre Freundin es wohl aufnehmen würde. Nach den vergangenen zwei Tagen sehnte sich Julia danach, dass ihr einfach mal jemand vorbehaltlos glaubte. Sonja war von ihrer natürlichen Veranlagung her gutgläubig und ehrlich, es kostete sie einige Überwindung, schlecht von anderen Menschen zu denken. Allerdings war sie auch nüchtern und pragmatisch. Hoffentlich besaß sie die Fantasie, sich das Ungeheuerliche vorzustellen, von dem Julia ihr erzählen musste.
In diesem Teil der Stadt spiegelten die Fassaden Wohlstand, Beständigkeit und hanseatische Lebensart wider. Es ließ sich nicht mit Julias Erlebnissen in Indien unter einen Hut bringen, nicht einmal mit dem, was ihr in den letzten zwei Tagen beim BKA in Wiesbaden widerfahren war.
Als das Taxi vor der Jugendstilfassade des Mehrfamilienhauses anhielt und Julia ausstieg, klopfte ihr Herz vor Wiedersehensfreude, aber auch vor Unsicherheit, wie Sonja wohl reagieren würde. Außerdem war sie körperlich erschöpft, auch wenn sie die letzten vier Stunden nur in der klimatisierten Bahn gesessen und Kaffee getrunken hatte. Sie war mit zwei vollgepackten Koffern, voller Abenteuerlust und Tatendrang nach Indien abgereist – trotz Sonjas Bedenken und Warnungen, die Julia noch lebhaft im Gedächtnis hatte. Und jetzt stand sie vor der Tür ihrer Freundin, mindestens fünf Kilo leichter, um etliche Erfahrungen reicher, ohne einen festen Wohnsitz in ihrer Heimatstadt, denn sie hatte ihre Wohnung für die Zeit ihrer Abwesenheit untervermietet, und mit nichts als einer größeren Tasche als Gepäck. Es war immer noch die, die sie sich in Patna gekauft hatte – in einem anderen Leben.
Sie klingelte, und Sonja fragte durch die Gegensprechanlage nach, wer da sei, auch wenn sie wusste, dass Julia um kurz nach elf ankommen sollte. In Winterhude erkundigte man sich immer, wem man die Tür öffnete.
Sonja stand im zweiten Stock auf dem Treppenabsatz, als Julia die Stufen hochkam. Ihre Freundin trug eine grüne Jogginghose und einen Sweater, sah zerzaust und ansonsten wie immer aus. Julia fiel ihr in die Arme. Sie ließ ihre Freundin aber schnell wieder los, als sie merkte, wie ihr der Hals eng wurde.
»Komm erst mal rein. Du siehst schrecklich aus.«
Das war unzweifelhaft wahr. Julia erinnerte sich wieder an Sonjas herzerfrischende Ehrlichkeit. Sie ließ sich auf das ausladende Sofa im Wohnzimmer fallen und atmete tief durch.
»Hast du schon was gegessen? Ich kann dir eine Kürbissuppe warm machen oder ein Brot schmieren.«
»Nein, danke. Ich hab
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