Down Under - Reise durch Australien
sondierten die Lage. Ich fühlte mich von allen Seiten beobachtet, und mich kribbelte es am ganzen Körper.
»Und was jetzt?«, fragte ich Dan.
»Was schon?«, grinste er. »Die werden uns schon nicht beißen. Lasst uns weiter ans Wasser gehen, vielleicht gibt’s da weniger.«
Mit schnellen Trippelschritten lief ich zum Ufer, und tatsächlich gab es da weit weniger Augen, die mich anstarrten. Aber das Schlimme war, dass wir noch ein Dutzend Mal zur Düne laufen mussten, um alle Sachen und das Brennholz zu unserem Lagerplatz zu schaffen. Aber unter viel Gelächter und mit einem neuen Rekord im Schnell-Trippel-Laufen schafften wir es. Dann bauten wir unsere Sitzgelegenheiten auf, die aus kleinen Surfboards, den sogenannten Boogieboards, bestanden, die eigentlich für Kinder sind und nicht so viel wiegen, und die Dan deshalb mitgenommen hatte. Zum Wärmen hatten wir Decken dabei und natürlich Bier und Wein. Wie echte Australier so sind, wollten sie natürlich mit ihren über Jahrtausende erworbenen Fähigkeiten angeben und deutschen Mädchen beweisen, wie man in der Wildnis Feuer macht.
»Man nehme«, dozierte Travis, »ein Stück hartes Holz und ein Stück weiches Holz, natürlich furztrocken, lege das harte auf die Erde und schabe mit dem weichen darauf hin und her oder zwirbele es so lange, bis sich Rauch bildet. Dann nehme man etwas Reisig und lege es dazu, und schon brennt das Feuer im Nu!«
Travis legte sich voll ins Zeug und rubbelte und arbeitete, bis zwar seine Finger heiß wurden und Rauch aus seinen Ohren kam, aber nichts zu brennen begann.
»Ah, ja. Im Nu«, kommentierte ich gnadenlos.
»Muss das falsche Holz sein«, grummelte Travis und schüttelte die Arme aus.
»Probier’s doch mal damit!«, lachte Dan und warf Travis sein Feuerzeug zu. »Echtes Aborigine-Werkzeug!«
Es geht doch nichts über etwas Flüssiggas und einen Funken, denn schon nach ein paar Sekunden knisterte das Feuer, und Travis schichtete gekonnt unser am Waldrand gesammeltes Holz aufeinander. Augenblicke später entfaltete sich wohlige Wärme, und wir ließen uns auf den Boards nieder, wickelten uns in die Decken, quatschten und tranken ein Bier nach dem anderen. Die Krabben ließen uns in Ruhe. Wahrscheinlich hatten sie Angst, dass wir ein paar von ihnen brutzeln könnten.
»Darf man hier überhaupt Feuer machen?«, fragte Sandy.
»Nein, eigentlich nicht.« Dan lehnte sich zurück und machte eine weit ausholende Geste. »Aber wer will das hier überprüfen? Aber im Ernst, wir machen nur da Feuer, wo es auf keinen Fall auf Buschwerk oder Wald übergreifen kann. Hier am Strand kann nichts passieren. Aber wenn uns doch ein Ranger erwischt, dann sagen wir einfach: Wir sind aus Deutschland, das ist nicht unser Feuer, wir haben es einfach gefunden und wollten uns wärmen!«
»So, so«, lachte ich. »Und der Pick-up da oben ist auch nicht unserer, und das Bier hier, der Wein und euer Aussiedialekt auch nicht?«
»Keine Sorge«, grummelte Dan, der gerade in einen Cookie biss. »Hier kommt um die Zeit keiner vorbei. Und wenn, werden wir die Strafe eben bezahlen.«
Die Nacht verging wie im Flug. Wir redeten über Gott und die Welt, die Gesichter von den lodernden Flammen erleuchtet, und über uns ein Sternenhimmel, der uns wie eine Glocke zu schützen schien. Das rhythmische Brausen der Wellen umgab uns wie eine beruhigende Melodie, und ich stellte mir vor, wie wir wohl von oben aussehen mochten. Ein kleiner, hell flackernder Punkt, umringt von vier Gestalten, die sich ihrer Kleinheit gar nicht bewusst sind, wie sie da so hocken und über unendliche Freiheit sinnieren. Ab und zu klinkte ich mich aus der Unterhaltung aus und betrachtete einfach nur die Gesichter der anderen. Ich fragte mich, was wohl aus uns werden würde, wenn diese Nacht vorbei war und jeder wieder in sein Leben zurückging. Würden wir weiterhin Abenteuer im Leben suchen und finden oder würde uns das Alltägliche einholen?
Als das erste fahle Morgenrot am Horizont auftauchte, standen wir auf, gingen ans Wasser, ließen unsere Füße von den Wellen umspülen und warteten Hand in Hand auf die Sonne. Als sie glutrot aus den Fluten stieg, diesen Morgen in warmes Licht tauchte und ich meine Freunde neben mir fühlte, wusste ich, warum man lebt.
Rainbow Beach besitzt seinen Namen nicht von ungefähr. Myriaden Sandpartikel schimmern in den Farben Rot, Gelb, Schwarz und Weiß. Wenn man sich die Klippen anschaut, entdeckt man Gesteinsschichten in genau diesen Tönen.
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